Antisemitismus und Palästina-Solidarität

Selbstverständlich darf man Israel kritisieren – jene, die das Gegenteil behaupten, tun es unausgesetzt und ohne, dass ihnen bisher etwas geschehen wäre. Und selbstverständlich ist nicht jede Kritik an Israel antisemitisch – auch wenn der Grat zwischen Kritik und Antisemitismus ein sehr schmaler ist. Den so offensichtlich anderen Maßstab, der bei der Bewertung Israels im Verhältnis zu allen anderen Staaten und des Nahost-Konflikts zu allen anderen Konflikten dieser Welt angelegt wird, würde ich noch nicht umstandslos antisemitisch nennen, auch wenn ich mich immer wieder wundere: Als

Essen, 18.7.

Essen, 18.7.

die russische Regierung Tschetschenien in Grund und Boden bomben ließ, fanden sich keine Friedensdemonstranten. Auch die Bombardements ganzer Städte in Syrien durch Assads Militär lockten keine Massen von Demonstranten auf die Straße. Und dass aktuell die Terrorgruppe Isis in Syrien und dem Irak Gegner und Andersgläubige abschlachtet oder Boko Haram den Norden Nigerias mit Terror überzieht, ruft ebenfalls keine großen Proteste hervor. Ich vermute, dass auch der Abschuss eines Passagierflugzeugs, vermutlich durch russische Separatisten in der Ukraine, mit 295 Toten die Gemüter nicht in diesem Ausmaß erhitzen wird. Aber seit der israelischen militärischen Reaktion auf fortgesetzten tagelangen Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen schreiben sich die „Freunde“ Palästinas in sozialen Netzwerken die Finger wund und wütende, gewaltbereite Demonstrant/innen ziehen durch europäische und amerikanische Städte.

Das ist, wie gesagt, nicht unbedingt antisemitisch, befremdlich ist es allemal. Der Grat zum Antisemitismus wird jedoch dort überschritten, wo mit dem anderen Maßstab in der Bewertung Israels implizit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass Israel den Weltfrieden gefährdet – wie Günther Grass vor zwei Jahren mit letzter Tinte schrieb. Kritik schlägt dort in Antisemitismus um, wo die Probleme der Welt nur einen Verursacher kennen, in dessen Beseitigung die Lösung gesehen wird. Dann tritt uns das alte Stereotyp vom „weltzerstörenden Juden“, dem „Feind aller Völker“ entgegen. Kritik schlägt dort in Antisemitismus um, wo das Existenzrecht des Staates Israel in Frage gestellt wird, denn mit Israels Existenz würde die jahrtausendealte Existenz von Juden im Nahen Osten beendet werden. Wer sich dafür einsetzt, dass der Staat Israel verschwindet, setzt sich – ob er/sie das will oder nicht – dafür ein, dass Juden aus diesem Gebiet verschwinden, dass dieses Gebiet „judenrein“ wird, so wie es in Gaza und den Autonomiegebieten bereits vorgelebt wird. In einem palästinensischen Staat nach Vorstellung der Hamas und vieler anderer Gruppen, wäre für Juden jedenfalls kein Platz.

Die Grenze zwischen Kritik an der Politik Israels und Antisemitismus war schon immer schmal und sie wird nicht zum ersten Mal überschritten. Schon in der Vergangenheit war der Aktionismus für Palästina und gegen Israel nicht immer von Antisemitismus zu unterscheiden und schon oft kamen sich Linke und Rechte erstaunlich nahe. In palästinensischen Ausbildungslagern im Libanon wurden in den 1970er Jahren sowohl linke als auch rechte deutsche Terroristen ausgebildet. Linke beteiligten sich in der Folge bei der Flugzeugentführung nach Entebbe 1976 an der Selektion der Passagiere in Juden und Nichtjuden. Und nicht zuletzt war es ausgerechnet die der Linken nahestehende Gruppe um Abu Nidal, die sich durch Anschläge auf jüdische Einrichtungen in Europa hervortat: 1980 erfolgte ein Anschlag auf eine jüdische Schule in Antwerpen, 1981 einer auf die Synagoge in Wien und 1982 auf das jüdische Restaurant „Goldberg“ in Paris – um nur einige zu nennen. Antikapitalismus, Antiimperialismus, Gegnerschaft zu den USA und Israel sind die ideologischen Schnittmengen, in denen sich heute Teile der Linken und Rechten mit dem politischen Islam treffen.

Die Grenzüberschreitung gehört dabei seit langem zum Repertoire der „Palästinasolidarität“. Aber heute haben wir es mit einem erweiterten Bündnis zu tun, in dem vor allem Islamisten und Gruppen türkisch- und arabischstämmiger Jugendlicher, die ihre religiöse Identität hervorkehren, kräftig mitmischen. Der Hass und die Gewalt, die von dieser Seite auf die Straße getragen werden, haben eine neue Qualität angenommen: In Europa werden unter „Allahu Akbar“ („Gott ist größer“) Rufen Synagogen von einem hasserfüllten Mob angegriffen und es kommt zu Übergriffen auf Menschen, die als Juden zu identifizieren sind. Der Hass auf Israel, der Teile der muslimischen Bevölkerung, aber auch der Linken und Rechten eint, zeigt wieder einmal sein wahres Gesicht: Judenhass.

Nun sollte man annehmen, dass allein die islamistische Ausrichtung der Protestaktionen und das massenhafte Skandieren religiöser Parolen nichtmuslimische Teilnehmer/innen abschreckt – es ist jedenfalls nur schwer vorstellbar, dass die nichtmuslimischen Teilnehmer/innen sich an einer Demonstration beteiligen würden, an der aus einem christlichen Block permanent der Ruf „Gott ist groß!“ oder ähnliches ertönt – aber der Hass auf Israel scheint so weit zu gehen, dass man sich mit jedem Bündnispartner abgibt. Mich irritiert diese Religiösisierung politischer Kundgebungen und ich frage mich, warum diese Selbstvergewisserung einer auf religiöser Identität gegründeten Gruppe, warum dieses vordergründig Religiöse in seiner islamischen Variante von allen anderen Demonstrant/innen, auch jenen der Linken so einfach hingenommen wird. Linke und deklariert antifaschistische Teilnehmerinnen und Teilnehmer scheint es auch nicht zu stören, an einer Demonstration teilzunehmen, auf der Fahnen der Hamas, der Hisbollah oder anderer islamistischer Organisationen geschwungen werden, Fahnen von autoritären, klerikal-faschistischen und antisemitischen Organisationen. Dass Rechte mittlerweile dazu aufrufen, sich an diesen Demos zu beteiligen und sich dort blicken lassen, wie etwa auf der Anti-Israel-Demo in Frankfurt die Gruppe „Nationale Sozialisten Rhein-Main“, wundert mich hingegen weniger. – Und ich frage mich, warum Antisemitismus in seiner islamischen Variante[i] nicht oder weniger zur Kenntnis genommen wird, ganz so, als sei er weniger schlimm, weniger beängstigend, ganz so, als nehme man diejenigen, die den Juden den Tod wünschen, nicht ernst, wenn sie Muslime sind. Denn eines ist bei den aktuellen Demonstrationen nicht mehr zu übersehen: Sie sind offen antisemitisch und ein großer Teil der Teilnehmer/innen ist fanatisiert und gewaltbereit.

Die Parole „Kindermörder Israel“ erinnert nicht nur frappant an ihr mittelalterliches Vorbild der kindermordenden Juden, sie ist ihre moderne Variante. Sie wird durch eine permanente Propaganda untermalt, die Israel unterstellt, gezielt palästinensische Kinder zu töten. Dabei schreckt die palästinensische Propaganda auch nicht davor zurück, Bilder toter Kinder aus Syrien, dem Irak, dem Gazakrieg von 2009, ja selbst aus Hollywood-Filmen als Tote aktueller israelischer Luftangriffe auf Gaza auszugeben.

Pallywood lässt grüßen.[ii] Wer nicht gewillt ist, die dahinterstehenden antisemitischen Motive zu erkennen, dem sollten spätestens ein Demoplakat, auf dem ein Jude ein Kind verspeist (aus Seatle) oder eines, das Obama als Untergebenen eines kindermordenden israelischen Ministerpräsidenten bezeichnet (Frankfurt), in ihrer Seatle-Frankfurtantisemitischen Diktion auffallen. Und wem bei dem allseits beliebten Spruch „from the river to the sea, Palestine will be free“, der Israel und damit die Juden aus dem Nahen Osten verbannt sehen möchte, noch kein Licht aufgeht, dem sollte der Judenhass spätestens bei Sprüchen wie “al mawt al Yahud” (Tod den Juden), „Hamas, Hamas, Juden ins Gas“[iii] oder „Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein“ (von Menschen gebrüllt, die den Kampf aus dem Mob heraus bevorzugen!) entgegenspringen. Siehe das folgende Video ab Min. 1:10.

Auch bei “Khaybar, Khaybar ya Yahud, aish-Muhammad saya’ud” (Khaybar, Khaybar ihr Juden, die Armee Mohammeds wird wiederkehren) sollte man hellhörig werden, bezieht er sich doch auf den von der islamischen Überlieferung behaupteten militärischen Sieg der Armee Mohammeds über die Juden der Oase von Khaybar. Und wem die Gleichsetzung von Israel mit Nazi-Deutschland noch nicht weit genug geht, der/die sollte den antisemitischen Konnex begreifen, wenn aus den jüdischen Opfern des Nationalsozialismus „angebliche Opfer“ werden.

Mit wem man es bei diesen Demonstrationen zu tun hat, wird schon im Vorfeld deutlich. Ein Blick in die entsprechenden Internetforen oder auf die Facebook-Veranstaltungsseiten zu den Demonstrationen eröffnet Einblicken in Hass und Gewalt vieler „Palästina-Freunde“. Das mussten etwa die Organisatoren der Demo in Essen, die „Linksjugend Solid Ruhr“, nach langem Zögern zur Kenntnis nehmen. Rechtsradikale autochthone Deutsche sowie solche türkischer und arabischer Herkunft lieferten sich dort geradezu einen Wettbewerb um den Preis für das beste antisemitische Posting (siehe hier und hier), was die Linksjugend jedoch nicht auf die Idee brachte, die Demonstration wieder abzusagen. Allerdings mehrt sich mittlerweile auch die innerparteiliche Kritik an dieser Demonstration.[iv] Das gleiche gilt für die Anti-Israel-Kundgebung in Zürich, für die unter anderem der Islamische Zentralrat Schweiz mobilisiert. Auf der Facebook Seite zur Kundgebung kann man dann schon mal lesen: „die einzige Medizin gegen Juden war Adolf Hitler“, sowie Aufrufe, die Kundgebung als Demo ins „Judenviertel“ (gemeint ist der Züricher Stadtkreis 3) umzuleiten.

Wer sich an solchen Demonstrationen beteiligt, unterstützt die Antisemiten in ihrem Kampf. Wer auf Demonstrationen geht, auf denen Hamas-, Hisbollah- und andere Islamisten-Fahnen wehen, geht gemeinsam mit Antisemiten auf Demonstrationen. Wer die Hamas und ihre antiisraelische und judenfeindliche Propaganda unterstützt, unterstützt Judenhass!

Die derzeitigen Ausbrüche von Judenhass waren schon lange abzusehen, auch ohne die aktuelle Kriegssituation im Nahen Osten. Europaweit müssen jüdische Einrichtungen geschützt werden, aber schon lange nicht mehr in erster Linie vor Neonazis, sondern vor muslimischen Fanatikern. Und leider finden sich noch immer zu Wenige bereits, gegen Antisemitismus auch dann aufzustehen, wenn er aus muslimischen Communities kommt:

„Vonseiten linker wie rechter Ideologen wird die Judenfeindschaft muslimischer Kreise oft als Reaktion auf den Nahostkonflikt und als Anteilnahme am Schicksal der Palästinenser entschuldigt. Die schon für sich genommen bedenkliche, gegen Frieden und Versöhnung gerichtete Haltung vieler Muslime [in Europa] gegenüber Israel geht mit einem allgemeinen Judenhass einher, der dem friedlichen Zusammenleben der Menschen […] zuwider läuft. Die zu beobachtende Zunahme von Angriffen auf Juden und jüdische Einrichtungen ist ein ernstzunehmendes Signal. Die Tatsache, dass Migrantinnen und Migranten gegenüber Juden und zum Teil auch gegenüber anderen Minderheiten (Roma, Homosexuelle) dasselbe diskriminierende Verhalten an den Tag legen, dem sie selbst häufig ausgesetzt sind, mag für manche eine verstörende Erkenntnis sein, die fest gefasste Weltbilder und Überzeugungen ins Wanken bringt. Das sollte jedoch nicht dazu führen, Antisemitismus in islamischen Communities zu verschweigen oder gar zu rechtfertigen, dieser bedarf vielmehr einer ebenso entschiedenen Absage, wie der Antisemitismus des rechtsextremen Milieus. Neben der Verfolgung strafrechtlich relevanten Handelns sollte hier auch auf verstärkte aufklärerische Konzepte in der Kinder- und Jugendarbeit gesetzt werden.
Der alte Spruch „Wehret den Anfängen“ ist weiter gültig – auch gegenüber islamischer Judenfeindschaft.“[v]

Kleiner Nachtrag aufgrund einiger Reaktionen und Diskussionen, 21.7.2014

In diesem Artikel geht es nicht um den Nahostkonflikt und nicht um die aktuelle israelische Offensive im Gazastreifen, denn selbst wenn Israel die größten Verbrechen begehen würde, wäre das weder Begründung noch Rechtfertigung für verbale und physische Angriffe auf Juden und jüdische Einrichtungen. Diese dürfen in keinem Fall hingenommen werden. So wenig, wie es nicht hingenommen werden darf, wenn hier lebende Muslime für islamistische Anschläge irgendwo auf der Welt, wie etwa für jenen vom 11. September 2001 zur Verantwortung gezogen, beleidigt oder attackiert werden. Wer in diesen kollektivistischen Kategorien denkt und handelt, trägt weder zu Frieden noch zu gegenseitiger Verständigung bei, sondern vergrößert das Problem.

 

[i] Zum islamischen Antisemitismus siehe Heiko HEINISCH, Nina SCHOLZ, Europa, Menschenrechte und Islam – ein Kulturkampf?, Wien 2012, das Kapitel „Judenfeindschaft“. Im Internet: http://www.heiko-heinisch.net/judenfeindschaft/
[ii] Siehe den Beitrag der BBC: http://www.bbc.com/news/blogs-trending-28198622 oder dieses Video, das belegt, dass die palästinensischen Propagandisten bei der Auswahl ihres Materials selbst vor Hollywoodfilmen nicht Halt machen: https://www.youtube.com/watch?v=hKecwlzsLkY&app=desktop
[iii] https://www.youtube.com/watch?v=AixPXzvRyBI (ab min 4:50)
[iv] Allerdings hat sich die „Linksjugend Solid Oldenburg“ einen Tag vor der Demonstration in recht scharfer Weise von den Genoss/innen in Essen distanziert: https://www.facebook.com/notes/linksjugend-solid-oldenburg/keine-demos-mit-antisemitinnen/531269023667296
[v] Heiko HEINISCH, Nina SCHOLZ, Europa, Menschenrechte und Islam – ein Kulturkampf?, Wien 2012, S. 147 f. Das Kapitel ist online abrufbar: http://www.heiko-heinisch.net/judenfeindschaft/

9 Gedanken zu “Antisemitismus und Palästina-Solidarität

  1. “Als die russische Regierung Tschetschenien in Grund und Boden bomben ließ, fanden sich keine Friedensdemonstranten. Auch die Bombardements ganzer Städte in Syrien durch Assads Militär lockten keine Massen von Demonstranten auf die Straße. Und dass aktuell die Terrorgruppe Isis in Syrien und dem Irak Gegner und Andersgläubige abschlachtet oder Boko Haram den Norden Nigerias mit Terror überzieht, ruft ebenfalls keine großen Proteste hervor.”

    1996 war ich 8 Jahre alt. Als die USA in Afghanistan einmarschierten war ich bei den Protesten dabei. Als die USA in den Irak einmarschierten war ich bei den Protesten dabei. Deine anderen Beispiele haben den gleichen Fehler: Terrorgruppen sind etwas anderes als Staaten.

    Ich bin ein großer Freund des Staates Israel und ein wütender Kritiker der Terrororganisation als die dieser Staat inzwischen primär agiert. Die Maßstäbe die ein Staat für mich erfüllen muss sind hoch. Im Angesicht der Snowden Enthüllungen kann ich derzeit sicher sein, dass es keinen Staat gibt der sie erfüllt. Aber das was die Regierung Israels in Kooperation mit der Terrororganisation die wir als “Siedler” bezeichnen anrichtet ist nicht mal mehr in Rufreichweite dieser Ansprüche. Was ist denn deiner Meinung nach Landnahme und Bebauung von staatsfremdem Gebiet durch Bewaffnete? Die ultrarechten Nationalisten in Israel haben mehr und mehr das Ruder in der Hand. Und es ist eine grauenhafte Richtung die sie Israel geben.

    Hat denn wirklich gar niemand etwas aus dem Desaster der USA in Vietnam gelernt? Sind alle Lektionen die die Sowjets im ersten Afghanistan-Krieg lernen mussten vergessen? Wann hat eigentlich jemals ein militärisches Eingreifen gegen eine Bevölkerung funktioniert? Und jetzt muss ich mir wirklich verkneifen einen Nazivergleich zu ziehen, das waren nämlich bisher die prominentesten die krank genug waren das zu tun was nötig ist um eine Bevölkerung wirklich zu “befrieden” und selbst die waren nicht uneingeschränkt erfolgreich.

    Terror ist keine Lösung. Gewalt erzeugt Gegengewalt. Und wer denkt Israel könne sich von dieser einfachen Gesetzmäßigkeit befreien ist schlicht im Unrecht.

    Der aktuelle Terror der Israelischen Armee gegen den Gazastreifen hilft niemandem und schadet allen. Dem Staat Israel am Meisten.

    Gruß,
    Justus

    P.S.: Übrigens sind die Bodenoperationen der Israelis noch das beste von den schlimmen Dingen die sie tun. Wenn sie sich darauf beschränken würden wäre eine erhebliche Vielzahl meiner Kritikpunkte gelöst. Ja, sie würden immer noch Völkerrecht brechen, aber sie riskieren erheblich(!) weniger zivile Opfer. Sie riskieren auch die Leben ihrer Soldaten, aber hier unterscheidet sich eben die Terrororganisation von einem Staat.

  2. Du hast natürlich recht, wenn die USA agiert, sind ebenso Proteste zu erwarten, wie im Falle Israels. Zur Zeit gibt es eine ganze Reihe von Konflikte, die opferreicher sind als jener in Gaza, aber nur der in Gaza scheint von Interesse und nur die palästinensischen Opfer israelischer Waffen.
    Über die Frage der Landnahme könnten wir jetzt lange streiten. 1948 gab es die Chance auf eine Zweistaatenlösung (was so nicht ganz stimmt, denn an Palästinenser im heutigen Sinne hat damals noch niemand gedacht, die arabischen Gebiete wären Ägypten und Jordanien zugeschlagen worden), aber eine große Koalition arabischer Staaten hat es damals vorgezogen, den gerade gegründeten Staat Israel anzugreifen, um “die Juden ins Meer zu treiben”.
    Welcher Staat dieser Welt würde einem tagelangen Raketenabschuss von jenseits seiner Grenze tatenlos zusehen? Warum sollte Israel dem tatenlos zusehen? Den Staat Israel als Terrororganisation zu bezeichnen, ist zum einen jenseits der Realität und spielt zum anderen genau jenen in die Hände, die Israel als Ganzes delegitimieren wollen.
    Aber das Hauptthema meines Artikels ist der Judenhass, der im Zuge einer vermeintlichen Palästinasolidarität auf europäische Straßen getragen wird. Dafür gibt es keine Begründung und keine Entschuldigung – auch nicht einen Krieg in Gaza. Wenn hier wieder Demonstranten durch die Straßen ziehen, die “Tod den Juden” brüllen, dann ist es mir reichlich egal, ob die einen langen, einen kurzen oder gar keinen Migrationshintergrund haben. Ich hatte nicht erwartet, jemals Szenen wie jene aus der letzten Woche – antisemitischer Mob auf den Straßen – selbst sehen zu müssen. Und jeder, der heute noch auf eine dieser Demonstrationen geht, muss wissen, dass er sich mit diesem Mob gemein macht.

    • Nicht der Staat Israel ist die Terrororganisation, sondern die ultrarechten Nationalisten die sich seiner in weiten Teilen behabt haben. Diese Verbrecher und ihre Gegenstücke auf Seiten der Palästinenser befeuern einen Kreislauf von Tod und Vernichtung.

      Meine Verknüpfung zum Hauptthema habe ich wirklich ein bisschen schlecht dargestellt, sie liegt für mich aber genau in diesem Unterthema. Ich kann sehr gut nachvollziehen wie es zu solchen Aussagen kommt (nicht befürworten, aber eben verstehen wie A zu B und dann nach und nach zu Z wird). Der Kreislauf von gegenseitig befeuertem Hass sorgt eben nicht nur lokal für endlos Terroristen Nachschub sondern auch aus der Ferne für Entgleisungen.

      Bitte versteh mich nicht falsch, ich sage explizit nicht, dass es gut ist was auf solchen Demonstrationen gerufen wird. Nur ist das ein extrem hässliches Details in einem viel größeren und hässlicheren Komplex.

      Salopp formuliert: Du regst dich darüber auf, dass die Gardinen brennen obwohl zeitgleich das Haus in Flammensteht zu dem sie gehören.

      Wenn du wirklich verhindern willst, dass solche Szenen entstehen, dann tu dein bestes um den Staat Israel aus der Hand der Kriegstreiber zu reißen, denn die sind letztenendes die einzige Stelle an der der Gewaltkreislauf unterbrochen werden kann. Die Hamas wird es nicht tun.

      Ich hoffe, dass der Staat Israel stark genug ist um sich gegen den Terror durchzusetzen. Den Terror der Hamas, und den Terror aus den eigenen Reihen. Wenn er es nicht schafft wird es dort unten niemals Frieden geben, denn Terroristen machen keinen Frieden.

  3. Ich bin in meinem Artikel auf den aktuellen Konflikt nicht eingegangen, weil ich den Nahost-Konflikt als Erklärung für Antisemitismus in muslimischen Communities in Europa nicht nur für zu kurz gegriffen, sondern für falsch halte. Diese Erklärung läuft in ihrem Kern darauf hinaus, dass die Juden am Antisemitismus selbst schuld seien, denn wäre Israel nicht so böse zu den Palästinensern, gäbe es auch nicht den Hass auf die Juden. Konsequent zu Ende gedacht: Gäbe es Israel nicht, gäbe es keinen Judenhass.
    Der Judenhass ist aber vielmehr das Ergebnis einer jahrzehntelangen judenfeindlichen Propaganda in arabischen Staaten und der Türkei. Diese Propaganda hat begonnen, lange bevor es einen Staat Israel gab und sie hält bis heute an und wird via Internet, TV-Sendern und Zeitungen nach Europa getragen. Der Judenhass, der sich zur Zeit auf Europas Straßen manifestiert, ist meiner Meinung nach nicht die brennende Gardine aus Deinem Beispiel, sondern das brennende Haus. Daher noch einmal: Wer sich an diesen Demonstrationen beteiligt, beteiligt sich zwangsläufig auch an diesem Hass auf Juden – und unterstützt nicht zuletzt die Hamas in ihrem Glauben, ihre Ziele mit Raketen herbeibomben zu können.

    • “Welcher Staat dieser Welt würde einem tagelangen Raketenabschuss von jenseits seiner Grenze tatenlos zusehen?”

      Das ist nur die halbe Geschichte. Zuvor hat Israel immer wieder kleinere Angriffe gestartet wobei es mehrere Tote gab, in der Westbank wurde eine Operation durchgeführt wobei 680 Menschen verhaftet wurden(Westbank ist nicht Gaza, aber dennoch erwähnenswert in diesem Fall ). Bis zu diesem Zeitpunkt hielt sich die Hamas zurück. Als dann sieben Hamas Mitglieder getötet wurden, erst darauf reagierte die Hamas dann mit dem Raketenbeschuss. Jetzt unabhängig davon wie man zur Hamas steht und wie man sie beurteilt, es ist doch völlig klar dass die Hamas reagieren würde, nachdem zuvor sieben Mitglieder getötet wurden. Nur leider erzählst du hier den gleichen Mainstream Blödsinn wie all die anderen Medien, dass die Hamas plötzlich tagelang Raketen regnen läßt, ohne irgend einen Hintergrund. Wenn Israel wirklich auf Frieden aus wäre und versuchen würde jeden Konflikt zu vermeiden, wieso dann die Ermordung der Hamas Mitglieder? (mir kann jetzt Niemand erzählen dass Israel nicht Ahnen konnte dass Hamas zurückschlägt). Mir scheint es eher so als sei es durchgeführt worden, um gezielt eine Reaktion der Hamas herbei zuführen, um dann einen Großangriff auf Gaza rechtzufertigen, man wolle ja die Racketentunnel zerstören etc..
      Aber das eigentlich Thema ist ja Judenhass, nur leider bietet sich Israel geradezu an. Nur wie erklärst du dann die ganzen ultraorthodoxen Juden die ebenfalls an diesen Demos beteiligt sind, und auch einen Jüdischen Staaten ablehnen und ebenfalls Israelische Flaggen verbrennen? Denn laut deiner Definition von Antisemitismus (“Kritik schlägt dort in Antisemitismus um, wo das Existenzrecht des Staates Israel in Frage gestellt wird”) müssten diese ultraorthodoxen Juden ebenfalls Antisemiten sein. Also eine Art streng religiöse jüdische Judenhasser? Wie dem auch sei,
      mir ist deine Position jedenfalls deutlich geworden. Die Wurzel allen Übels ist der Antisemitismus und Israel hat jedes Recht der Welt etc..
      P.S. der Text (Individuelle Freiheit und Menschenrechte…)über dem Artikel ist zwar schön, aber genau dass missachtet Israel im Bezug auf die Palästinenser.

      • Danke für Deinen Kommentar, mit dem Du mich in meiner Entscheidung, hier nicht über den Nahostkonflikt diskutieren zu wollen, bestärkt hast. Die Tatsache, dass sich beide Seiten in diesem Konflikt über die Berichterstattung der Medien aufregen, dass beide Seiten den „Mainstream-Blödsinn“, wie Du es nennst, auf der je gegnerischen Seite sehen, ist für mich Beleg dafür, dass die Medien in ihrer Gesamtheit mehr oder weniger ausgewogen berichten. Dass einzelne Medien parteiisch berichten, ist kein Beweis für das Gegenteil, denn diese Medien finden sich auf beiden Seiten.
        Über den Konflikt an sich möchte ich hier nicht diskutieren, denn es würde vermutlich nur zum gegenseitigen Austausch hinlänglich bekannter Argumente führen.
        Ich habe in meinem Artikel erklärt, warum ich es für antisemitisch halte, das Existenzrecht Israels in Frage zu stellen: Mit Israel würde auch die Existenz von Juden im Nahen Osten enden und ein judenfreier Raum entstehen, wie heute schon in Gaza und den Autonomiegebieten. Wenn immer wieder jene orthodoxen Juden angeführt werden, die sich gegen die Existenz Israels aussprechen, sollte allerdings erwähnt werden, dass es sich dabei um eine kleine und obskure Organisation namens „Neturei Karta“ handelt, die von der Jewish Virtual Library auf ca. 5000 Mitglieder weltweit geschätzt wird. Aber der Logik nach hättest Du natürlich Recht.

  4. Das stimmt so nicht, in der ganzen arabischen Welten lebten und leben heute noch jüdische Gemeinden, die nicht wie die Araber in Israel als Untermenschen gesehen und auch so behandelt werden(Bsp. Marokko, Algerien, Tunesien etc.). Sogar im persischen Iran, wo sogar Juden im Parlament vertreten sind. Die Vorstellung eines judenfreien Raums ist daher absurd. Und dabei Gaza als Beispiel zunehmen ist schon eine Unverschämtheit. Die Menschen dort werden in eine Art Freiluftgefängnis gehalten, die Grenzübergänge werden blockiert, es gibt eine Seeblockade und Luftblockade. Es wird von der Außenwelt abgeschottet und die Wirtschaft wird bewusst am Boden gehalten. Das “Land” wird daran gehindert sich aus seiner erbärmlichen Lage selbst zu befreien. Und mit den Autonomiegebieten meinst du die Westbank? Wo immer wieder Araber aus ihrem Grundstück vertrieben werden um neue Siedlungen für Israelis zu bauen. Wo Mauern gebauten werden, nicht zwischen Juden und Arabern, sondern inmitten palästinensischer Gebiete. Bauern können nicht zu ihrem Feld, ein Weg zum Markt dauert stunden weil man erst an Checkpoints vorbei muss u.s.w..
    Ich gebe dir Recht, eine Diskussion zum Konflikt ist unnötig, weil die Ursache ja klar ist: Der Antisemitismus, stimmts?

    • Warum nur muss jede Diskussion über Judenfeindschaft unter hier lebenden Muslimen in eine Diskussion zum Nahostkonflikt münden? Diese Art von Besessenheit lässt offenbar keine Fokussierung auf das eigentliche Thema meines Artikels zu.
      Ich teile Deine Position nicht und finde das von Dir Geschriebene auch faktisch nicht haltbar. Die Juden der arabischen Staaten wurden zwischen 1947 und 1968 fast sämtliche vertrieben. Lebten 1947 ca. 750.000 Juden in arabischen Staaten, so sind es heute noch etwa 6000. Im Iran leben von ehemals 150.000 Juden noch 10.000. Demgegenüber sind ungefähr 20% der israelischen Bevölkerung Araber, die sich in vielen Schichten der Bevölkerung finden, bis hin zu hohen politischen Ämtern (etwa Nawaf Massalha oder Ali Yahya) oder dem Obersten Gerichtshof. So gehörte etwa jenem Richtersenat, der den ehemaligen israelischen Präsidenten Moshe Katzav zu einer Haftstrafe verurteilte, mit Salim Joubran ein arabisch-israelischer Richter an. Ich bestreite nicht, dass es in Israel in Teilen der Bevölkerung Diskriminierung und auch Ressentiments gegenüber Arabern gibt, aber von einer „Behandlung als Untermenschen“ zu sprechen, ist schlicht Unfug. Mir scheint, alle Argumente sind vorgebracht und wir sind am Ende der Diskussion angelangt.

  5. Natürlich teilst du nicht meine Position und natürlich ist alles nicht haltbar.
    Wenn du die Realität dort als Unfug bezeichnest dann kann ich die leider auch nicht mehr weiter helfen.

    Guten Tag.

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