Antisemitismus in Europa

Jüdische Schulen und Synagogen in Europa stehen unter Polizeischutz, die wichtigsten und größten gleichen von außen Hochsicherheitstrakten; ohne Sicherheitskontrolle gibt es keinen Einlass. Kein jüdisches Kultur- oder Filmfest kommt mehr ohne Sicherheitspersonal aus. Dennoch häufen sich die Angriffe auf Juden und jüdische Einrichtungen in Europa, von Beschimpfungen, Anspucken und Tätlichkeiten auf offener Straße bis hin zu Überfällen und Mordanschlägen. Während des letzten Gazakrieges kam es in vielen europäischen Städten zu judenfeindlichen Demonstrationen mit lange nicht

Essen, 18.7.

Essen, 18.7.

gehörten Parolen – bis hin zu „Juden ins Gas!“. Aus Frankreich aber auch aus Schweden wandern immer mehr Juden aus. Sie flüchten nach Israel, in die USA oder nach Kanada. 50% der gemeldeten rassistischen Übergriffe in Frankreich richteten sich im vergangenen Jahr gegen Juden, obwohl diese weniger als 1% der Bevölkerung ausmachen. Weiterlesen

Antisemitismus und Palästina-Solidarität

Selbstverständlich darf man Israel kritisieren – jene, die das Gegenteil behaupten, tun es unausgesetzt und ohne, dass ihnen bisher etwas geschehen wäre. Und selbstverständlich ist nicht jede Kritik an Israel antisemitisch – auch wenn der Grat zwischen Kritik und Antisemitismus ein sehr schmaler ist. Den so offensichtlich anderen Maßstab, der bei der Bewertung Israels im Verhältnis zu allen anderen Staaten und des Nahost-Konflikts zu allen anderen Konflikten dieser Welt angelegt wird, würde ich noch nicht umstandslos antisemitisch nennen, auch wenn ich mich immer wieder wundere: Als

Essen, 18.7.

Essen, 18.7.

die russische Regierung Tschetschenien in Grund und Boden bomben ließ, fanden sich keine Friedensdemonstranten. Auch die Bombardements ganzer Städte in Syrien durch Assads Militär lockten keine Massen von Demonstranten auf die Straße. Und dass aktuell die Terrorgruppe Isis in Syrien und dem Irak Gegner und Andersgläubige abschlachtet oder Boko Haram den Norden Nigerias mit Terror überzieht, ruft ebenfalls keine großen Proteste hervor. Weiterlesen

Judenfeindschaft

Eine Leseprobe aus unserem Buch: Heiko Heinisch; Nina Scholz, Europa, Menschenrechte und Islam – ein Kulturkampf?, Wien, Passagen Verlag 2012. Mit freundlicher Genehmigung des Passagen Verlags: Das Kapitel “Judenfeindschaft”

Der Begriff Antisemitismus, geprägt im 19. Jahrhundert, hat sich mittlerweile im allgemeinen Sprachgebrauch für alle Formen der Judenfeindschaft durchgesetzt, wobei die unterschiedliche Genese in verschiedenen Regionen und Kulturen außer Acht bleibt. Zum besseren Verständnis der Unterschiede und Gemeinsamkeiten jedoch scheint für unser Thema ein Blick auf die historische Entwicklung der Judenfeindschaft in Islam und Christentum hilfreich.

Der europäische Antisemitismus hat seine Wurzeln im christlichen Antijudaismus und reicht in die ersten Jahrhunderte des Christentums zurück. Seit der Abspaltung der frühen Christen vom Judentum war das Weiterbestehen der jüdischen Religion die gelebte Infragestellung christlicher Heilsvorstellung, denn die Juden warteten weiterhin auf jenen Messias, den die Christen mit Jesus bereits gekommen sahen. Die Existenz

"Ecclesia und Synagoge", 13. Jh., Darstellungen der Siegreiche Kirche und der besiegten Synagoge mit gebrochenem Stab und verbundenen Augen vom Portal des Straßburger Münsters

“Ecclesia und Synagoge”, 13. Jh., Darstellungen der Siegreiche Kirche und der besiegten Synagoge mit gebrochenem Stab und verbundenen Augen vom Portal des Straßburger Münsters

des Judentums traf die christliche Identität in ihrem Kern. Doch die Juden waren, obgleich als verstockt und verdammt angesehen, auch, wie Ernst Gombrich einmal feststellte, integraler Teil der christlichen Erlösungsgeschichte. Sie waren „Gottes erste Liebe“ (Friedrich Heer), das Volk, mit dem Gott den ersten Bund geschlossen hatte, mit ihnen teilte man das Alte Testament.[1] In dieser theologischen Verflechtung, die Herausforderung und ständige Provokation zugleich war, liegt die Ursache dafür, dass Juden im christlichen Diskurs von Beginn an Gegenstand der Auseinandersetzung und dominantes Feindbild waren und das Christentum eine solche Fülle an judenfeindlichen Schriften hervorbrachte. Zentraler Punkt war hierbei der schon für das zweite christliche Jahrhundert belegte Vorwurf des Gottesmordes:

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Menschenhass und Fußballclubs

ein Gastbeitrag von Gideon Böss

Dieser Text erschien zuerst am 12. Januar 2014 auf dem „Die Welt“-Blog Böss in Berlin

In der letzten Woche hat der Fußball, trotz Winterpause, für ziemliche Schlagzeilen gesorgt. Zum einen, weil sich mit Thomas Hitzlsperger ein ehemaliger Spieler als schwul geoutet hat, was in der Fußballszene, die ein sympathisch feiges Verhältnis zum homophoben Potenzial der eigenen Anhängerschaft pflegt, tatsächlich ein Aufreger ist. Zum anderen, weil der niederländische Verein Vitesse Arnhem sein Trainingslager in Abu Dhabi veranstaltet und einem israelischen Spieler die Einreise verweigert wurde. Man mag keine Juden auf der arabischen Halbinsel. Die Wüsten-Tyrannen, die dort das Sagen über Sklavenhalterstaaten haben, sind überzeugte Antisemiten, sie machen kein Geheimnis daraus. Die Empörung war trotzdem groß, als der Israeli nicht einreisen durfte. Zumindest für einen oder zwei Tage, danach war das Thema schon wieder erledigt. Was geht uns schon der Antisemitismus in anderen Ländern an. Zumal in so exotischen wie den Vereinigten Arabischen Emiraten?

Und tatsächlich ist das eigentlich irritierende ja nicht, dass da einem Israeli die Einreise verweigert wurde. Irritierend ist viel eher, Weiterlesen