Offener Brief zu Raif Badawi

Der folgende offene Brief mit dem Ersuchen, sich für den saudischen Blogger und Menschenrechtsaktivisten Raif Badawi einzusetzen, wurde heute an folgende österreichische Politiker gesendet:
Den Bundespräsidenten, den Bundeskanzler, den Außenminister, die Nationalratspräsidentin, den 2. Nationalratspräsidenten, den Präsidenten des Bundesrates, die Vizepräsidentin des Bundesrates, sowie die Klubobleute von SPÖ, ÖVP, NEOS und Grünen.

Es wäre schön, wenn sich viele in vielen Ländern in ähnlicher Weise an ihre Politiker/innen wenden würden. In Österreich kann auch das König Abdullah Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog um Stellungnahme gebeten werden. Die ehemalige österreichische Justizministerin Claudia Bandion Ortner ist die Vizegeneralsekretärin des Zentrums: claudia.bandion@kaiciid.comoffice@kaiciid.org.

Raif Badawi

 

 

 

 

Offener Brief
Vergangene Woche, am 7. Mai 2014, wurde der saudische Blogger und Menschenrechtsaktivist Raif Badawi wegen “Beleidigung des Islam” und dem Betreiben einer liberalen Website zu 10 Jahren Haft, 1000 Peitschenhieben und einer Geldstrafe von 1 Mio Rial (rund 190.000 Euro) verurteilt. Nach jahrelangen Schikanen und mehrmaliger kürzerer Inhaftierung, führte ein religiöses „Rechtsgutachten“ des Rechtsgelehrten Abd al-Rahman al-Barrak im Juni 2012 zur Verhaftung Raif Badawis. Seither befindet er sich im Gefängnis. Seine Frau konnte mit den Kinder in den Libanon flüchten, von wo aus sie für seine Freilassung kämpft. Das „Rechtsgutachten“ attestiert Raif Badawi sowohl „Beleidigung des Islam“ als auch „Glaubensabfall“. Badawi hatte auf seiner Website die prinzipielle Gleichwertigkeit von Muslimen, Juden, Christen und Atheisten behauptet, was als Beweis für die „Beleidigung des Islam“ gewertet wurde.

Kurz vor dem Gerichtsverfahren gegen Badawi wurde sein Anwalt Waleed Abu al-Khair ebenfalls verhaftet. Amnesty International hat beide als Gewissensgefangene anerkannt und eine internationale Kampagne ins Leben gerufen.[i]

Ob gegen Raif Badawi auch Anklage wegen Apostasie erhoben wird, muss das saudische Höchstgericht noch entscheiden. Im Falle einer Anklage droht ihm die Todesstrafe.

Am 13. Oktober 2011 haben Österreich, Spanien und Saudi-Arabien in Wien den Gründungsvertrag des von Saudi-Arabien initiierten und finanzierten KAICIID (Internationales König Abdullah Bin Abdulaziz Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog) unterzeichnet. Bis auf die Grünen und die FPÖ hatten alle im Parlament vertretenen Parteien der Gründung eines solchen Zentrums in Wien zugestimmt. In der Präambel des Gründungsvertrags heißt es, die Vertragsparteien – also auch Saudi-Arabien – seien „unter Bestätigung der in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankerten Ziele und Prinzipien, insbesondere des Rechts auf Meinungs-, Gewissens- und Religionsfreiheit“ übereingekommen, dieses Zentrum zu gründen.

Abgesehen von der Tatsache, dass Saudi-Arabien bisher keinen der Menschenrechtspakte der UNO unterzeichnet hat, steht das Urteil gegen Raif Badawi in eklatantem Widerspruch zu den vorgeblichen Zielen des Wiener Zentrums und bestätigt die Kritikerinnen und Kritiker in der Einschätzung, dieses diene dem Königreich Saudi-Arabien einzig als Feigenblatt für seine menschenrechtswidrige Politik und Rechtspraxis und zur Ausweitung seines Einflusses in Europa im Allgemeinen und auf die europäischen Muslime im Speziellen.

In jedem Fall handelt es sich bei dem Urteil gegen Raif Badawi seitens Saudi-Arabiens um einen klaren Bruch der im Gründungsvertrag des KAICIID vereinbarten Richtlinien. Gravierende Menschenrechtsverletzungen und insbesondere die Verneinung von Meinungs- und Religionsfreiheit gehören zum Charakter des saudischen Regimes.

Wir ersuchen Sie, ihren Einfluss geltend zu machen und sich für die Aussetzung der Strafe von Raif Badawi, sowie für seine sofortige Freilassung einzusetzen. Haftstrafen und Körperstrafen für die Äußerung einer Meinung sind ein eklatanter Verstoß gegen die Menschenrechte. Darüber hinaus birgt die Verabreichung von 1000 Peitschenhieben, auch wenn sie, wie in Saudi-Arabien üblich, in mehreren Etappen über Monate, bzw. Jahre hinweg vollzogen wird, eine große Gefahr für das Leben Raif Badawis und wird in jedem Fall zu einer dauerhaften körperlichen Schädigung führen.

In Erwartung Ihrer Antwort,
mit freundlichen Grüßen,

Nina Scholz                                        Heiko Heinisch
(Politikwissenschaftlerin,                    (Historiker, Wien)
Wien)

 

[i] Amnesty International zuWaleed Abu al-Khair https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-098-2014/bei-anhoerung-festgenommen, zu Raif Badawi siehe auch: http://www.spiegel.de/politik/ausland/saudi-arabien-blogger-mit-10-jahren-haft-und-peitschenhieben-bestraft-a-968226.html

Update 30. Mai 2014

– Die beiden Grünen Abgeordneten Alev Korun und Judith Schwentner forderten bereits am 2. Mai in einer Presseaussendung den Außenminister auf, sich für die Freilassung Raif Badawis einzusetzen.

– Ruth Becher (Abgeordnete der SPÖ zum Nationalrat) und Franz Kirchgatterer (Abgeordneter der SPÖ zum Nationalrat und Menschenrechtssprecher der SPÖ) haben am 21. Mai eine gemeinsame Presseaussendung für die Freilassung Raif Badawis und seines Anwalts Waleed Abu al-Khair veröffentlicht.

– Auch die NEOS versprachen, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten für die Freilassung Raif Badawis einzusetzen.

Update 10. Juni 2014

– Eine weitere Presseaussendung der Grünen vom 8. Mai!

Update 15. September 2014

Am 1. September, bestätigte das saudische Berufungsgericht (letzte Instanz) das Urteil gegen den inhaftierten Menschenrechtsaktivisten Raif Badawi in voller Höhe: 10 Jahre Gefängnis, 1000 Peitschenhiebe und eine Geldstrafe. Somit steht nun auch die Auspeitschung unmittelbar bevor. Sie soll, um den Tod des Verurteilten zu vermeiden, auf 20 Sessions aufgeteilt werden.
Fragen und Proteste können neben Politikern und Politikerinnen auch an das saudische Prestigeprojekt in Europa, das in Wien errichtete “König Abdullah Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog” (KAICIID), gerichtet werden. Die ehemalige österreichische Justizministerin Claudia Bandion Ortner ist Vizegeneralsekretärin des Zentrums: office@kaiciid.org und claudia.bandion@kaiciid.com
Online Petition:
http://www.change.org/p/free-and-safeguard-the-liberal-saudi-raif-badawy-no-600-lashes
zur Amnesty International Seite mit einem kurzen Statement von Raif Badawis mutiger Frau, Ensaf Haidar: http://www.amnesty.org/en/news/thousand-lashes-and-10-years-prison-online-saudi-arabian-activist-2014-05-07

Gestern wurde bekannt gegeben, dass die Prügelstrafe ab Oktober  in insgesamt 20 Etappen ausgeführt werden soll:  http://revolution-news.com/saudi-blogger-raif-badawi-to-be-lashed/ 

 

 

 

Ein Gedanke zu „Offener Brief zu Raif Badawi

  1. Es ist eine Schande für die Menschheit, dass so etwas im 21. Jahrhundert noch möglich ist. Das Vorgehen der Saudis erinnert an die grausame Willkür der Inquisition oder der Gestapo in der Nazi-Zeit. Gegen die Saudi-Diktatur kann die aufgeklärte Menschheit mit ihren Menschenrechten nur wenig ausrichten. Hier gehört massiver Druck aller freiheitsliebenden Länder her – wirtschaftliche Sanktionen, keine Waffenlieferungen, keine deutschen Panzer, kein Technologie-Transfer, keine Geschäfte, solange diese menschenverachtende Diktatur die freie Meinungsäußerung unter Todesstrafe stellt!

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