Schule ohne Rassismus?

In einem Artikel in der Welt kritisierte Alan Posener unlängst das aktuelle Themenheft „Rassismus erkennen & bekämpfen“ des Netzwerks Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage. Der Geschäftsführer des Netzwerks, Eberhard Seidel, reagierte auf diese Kritik mit einem längeren Kommentar. Als ich ihn darauf hinwies, dass seine Ausführungen an der Kritik Poseners vorbeigehen, bot er mir an, mir dieses Themenheft (und einige weitere) zuzusenden, damit ich die inkriminierten Stellen im Zusammenhang lesen und mir selbst ein Bild machen könne. Das habe ich getan.

Das Ziel des Netzwerks Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage, dem mittlerweile 1250 Schulen in ganz Deutschland angehören, hört sich gut an: Schülerinnen und Schüler sollen dabei unterstützt werden, an ihren Schulen gegen Rassismus und jede Form der Diskriminierung aktiv zu werden und ein Klima des Miteinander zu fördern. Sie sollen lernen, „sich nicht vorrangig als Teil einer Gruppe zu definieren, sondern als unverwechselbares, einzigartiges Individuum.“[1] Schulen, die sich dem Netzwerk anschließen, verpflichten sich, Projekte zum Thema Diskriminierung durchzuführen und gegen Diskriminierung in der Schule zu arbeiten.[2] Die Bundeskoordination des Netzwerks unterstützt diese Ziele unter anderem mit der Herausgabe von Themenheften, um den Beteiligten Informationen für ihre Arbeit zur Verfügung zu stellen.

Das neue Themenheft „Rassismus erkennen & bekämpfen“ wird der Aufgabe, qualitätsvolle Information zu verbreiten, nicht gerecht. Rassismus erscheint darin weitgehend als ein Phänomen, das unmittelbar mit der neuzeitlichen Kolonisation großer Teile der Welt durch europäische Staaten zusammenhängt. So heißt es bereits im Inhaltsverzeichnis:

„Das Jahr 1492 gilt als Gründungsjahr des Rassismus der Neuzeit. Damals wurden Muslime und Juden von der Iberischen Halbinsel vertrieben und die Eroberung Amerikas begann. In den folgenden 350 Jahren wurden rund elf Millionen AfrikanerInnen in die Sklaverei nach Süd- und Nordamerika verschleppt.“

Nun stellt sich zunächst die Frage, wann genau das Mittelalter endet und die Neuzeit beginnt; Historiker sind sich da nicht ganz einig und legen ihren Beginn auf unterschiedliche Daten zwischen 1450 und 1550. Als möglicher Beginn gilt die Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen 1453, die Entdeckung Amerikas 1492 oder der Beginn der Reformation 1517. Aber wie auch immer man sich entscheidet, das Datum bleibt ein willkürlicher Punkt auf der Zeitachse der europäischen Geschichte; für außereuropäische Gebiete haben die Epochenbezeichnungen „Altertum“, „Mittelalter“ und „Neuzeit“ keine Bedeutung und keine Entsprechung im eigenen Geschichtsverlauf. Vor allem aber passiert Geschichte nicht in solcherart Brüchen. Die von den Autoren und Autorinnen gewählte Formulierung „Gründungsjahr des Rassismus der Neuzeit“ scheint denn auch eher dem Zweck zu dienen, Rassismus als europäische Erfindung darzustellen. Dieses Ziel bekräftigen die Autorinnen und Autoren auf den nächsten Seiten. So wird etwa behauptet, vor der europäischen Kolonisation Amerikas habe es keine Sklaverei entlang rassistischer Kriterien gegeben (Seite 16), auch dies sei also eine europäische Erfindung. Beide Behauptungen halten jedoch schon einer oberflächlichen historischen Überprüfung nicht stand. Bereits im Persien der Sassaniden im 6. Jh. n. Chr. wurden große Zuckerplantagen betrieben, auf denen vor allem ostafrikanische Sklaven arbeiten mussten. Den „Nachschub“ organisierten arabische Sklavenhändler. Die späteren islamischen Reiche entwickelten ein ausgedehntes Sklavensystem, das zumindest zum Teil rassistischen Kriterien folgte. Das Emirat Bahrain etwa verfügte im 11. Jh. über geschätzte 30.000 schwarze Arbeitssklaven für die „niederen“ Arbeiten,[3] im abbasidischen Basra wurden mehrere zehntausend afrikanische Sklaven zu Entwässerungsarbeiten eingesetzt.[4] Die sahelo-sudanische Zone war ab dem 8. Jahrhundert ein wichtiger Sklavenlieferant für die arabischen Märkte.[5] Zur Lieferzone für Sklaven wurde Afrika 700 Jahre bevor die Portugiesen 1432 erstmals an der afrikanischen Westküste anlegten. Allein aus Ostafrika wurden vermutlich mehr als 3,9 Millionen (so die niedrigste Schätzung) schwarze Sklaven in das arabisch islamische Gebiet entführt, durch die Sahara in die islamischen Gebiete Nordafrikas weitere 9 Millionen.[6] Diese Zahlen sind vorläufige Schätzungen, denn das Thema ist alles andere als hinreichend erforscht. In den meisten islamischen Ländern können sich Historiker des Themas nicht annehmen, ohne Verleumdungen als Verräter und Nestbeschmutzer oder Schlimmeres in Kauf nehmen zu müssen. Sogar in der Türkei ist das Thema „Sklaverei im Osmanischen Reich“ Tabu beladen. Als das Buch des türkischen Historikers Hakan Erdem („Slavery in the Ottoman Empire and its Demise, 1800-1909“) 2004 auch auf Türkisch erschien, löste es einen Skandal aus.[7]

Auch in ihren Theorien entwickelten muslimische Gelehrte einen ausgesprochenen Hautfarben-Rassismus. So schrieb etwa der arabische Geograph al-Muqaddasi im 10. Jahrhundert: „Was die Zanj (Anm.: Ostafrikaner südlich Äthiopiens) angeht, so sind es Menschen von schwarzer Farbe, flachen Nasen (…) und geringem Verstand.“[8] Berühmte islamische Gelehrte wie etwa Ibn Sina oder Said al-Andalusi entwickelten, ausgehend von der „Rassenlehre“ des Aristoteles, klimatologisch begründete Rassentheorien. Aristoteles war der erste uns bekannte Philosoph, der verschiedene Menschentypen auf unterschiedliche klimatische Bedingungen in ihren Herkunftsländern zurückführte. Am optimalsten waren die Bedingungen seiner Ansicht nach selbstverständlich in Griechenland, während überall sonst kulturell und charakterlich unterlegene Menschen leben würden, von denen manche gar zum Sklavendasein geboren seien.[9] In den davon abgeleiteten Theorien islamischer Denker, treten vor allem Schwarze (aber z.T. auch Weiße) als minderwertige Rassen auf. Der gegen Schwarze gerichtete Rassismus findet auch in der Poesie seinen Niederschlag. Suhaym (gest. um 660), selbst Afrikaner und freigelassener Sklave, dichtete:

„If my color were pink, women would love me
But the lord has marred me with blackness.
Though I am a slave my soul is nobly free
Though I am black of color my character is white.”[10]

Die Autorinnen und Autoren haben Recht, wenn sie bemerken, dass durch die Nachfrage europäischer Sklavenhändler nach schwarzen Sklaven (zwischen 1450 und 1870 ca. 11,5 Millionen!) der Raub von Menschen in Afrika ein neues Ausmaß erreichte. Aber wenn sie schreiben, die Massenversklavung von Afrikanern durch Europäer hätte „ein bis dahin in der Geschichte der Sklaverei unbekanntes Ausmaß“ erreicht (S. 17), klingt das so, als hätten erst Europäer die Massenversklavung in Afrika eingeleitet. Europäische Sklavenhändler (wobei nur ein Teil der europäischen Staaten in den Sklavenhandel involviert war) des 16. Jahrhunderts konnten aber auf ein bereits seit Jahrhunderten existierendes Sklavensystem mit Afrika als Lieferzone zurückgreifen. Sie kauften die bereits von anderen versklavten Afrikaner, wodurch sie sich ersparen konnten, sich die Hände bei den Raubzügen auf dem afrikanischen Kontinent selbst schmutzig zu machen.

Auch die osmanische Sklaverei folgte rassistischen Kriterien. Für die Harems der Oberschicht wurden, dem herrschenden Schönheitsideal folgend, vorzugsweise weiße Frauen aus den eroberten europäischen Gebieten versklavt. Die Elitetruppe des Sultans, die Janitscharen, setzte sich ebenfalls ausschließlich aus geraubten europäischen Knaben zusammen, wohingegen die Eunuchen in den Palästen und Herrenhäusern in der Regel schwarz waren. Auch im Jahr 1492. Zülfü Livaneli, der das Thema für einen Roman recherchiert hat, gibt ein erschütterndes Beispiel vom Raub schwarzer junger Männer, deren Kastration und Verschiffung ins Osmanische Kernland. Nur rund ein Viertel überlebte diese grausame Tortur.[11]

Im Themenheft wird zwar erwähnt, dass die Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei von Europa ausging, aber dass britische Schiffe im 19. Jahrhundert im Indischen Ozean Schiffe von Sklavenhändlern aufbrachten und Sklaven befreiten, ist den Autoren keine Erwähnung wert, ebenso wenig die Tatsache, dass alle islamischen Staaten im späten 19. und im 20. Jahrhundert nur durch äußeren Druck zur Abschaffung der Sklaverei bewegt werden konnten. Es war Kemal Atatürk, der mit eigenen Trupps die letzten Sklaven aus den Häusern der Oberschicht befreite. In Saudi Arabien wurde sie erst 1964 offiziell abgeschafft, in Mauretanien zuletzt im Jahr 2007, nach einigen vergeblichen früheren Anläufen. In beiden Staaten und auch im Sudan ist sie dennoch bis heute nicht gänzlich verschwunden.

Auf Seite 18 heißt es: „Dass der Kolonialismus so lange funktionierte lag daran, dass die europäischen Nationen so brutal und militärisch überlegen und gleichzeitig von ihrer eigenen kulturellen Höherwertigkeit restlos überzeugt waren. Sowohl der portugiesische Missionar im Indien des 17. Jahrhunderts als auch der britische Verwalter einer Plantage in Nigeria im 20. Jahrhundert hatten dieses gemein: Beide waren zutiefst davon überzeugt, minderbegabte Wilde zu zivilisieren.“

Das ist zwar richtig, ist jedoch kein historisch neues Phänomen und trifft auch auf außereuropäische Eroberer und Kolonisatoren zu. Schon die Römer waren von ihrer kulturellen Überlegenheit überzeugt und die Osmanen unterwarfen halb Europa, Arabien und Nordafrika ebenfalls aufgrund militärischer Überlegenheit und mit Brutalität. Auch sie waren überzeugt, mit dem Islam über eine höherwertige Religion und Kultur zu verfügen. Das Gleiche galt für die Japaner in den 1930er Jahren und während des Zweiten Weltkriegs, als sie große Gebiete Asiens besetzten und sich gegenüber deren Bewohnern kulturell überlegen fühlten. Das Gefühl kultureller Überlegenheit ist vermutlich eine Folge militärischer Überlegenheit: Aus der Tatsache, ein anderes Volk militärisch unterworfen und sich selbst zu dessen Herren erhoben zu haben, wurde in der Regel die kulturelle Unterlegenheit der Unterworfenen abgeleitet. Dieser Schluss wurde jedenfalls von nahezu allen Eroberervölkern der Geschichte gezogen und spiegelte sich in ihrem Selbstverständnis wider. Die implizite Behauptung, die Idee kultureller Überlegenheit sei eine originär europäische, wird diesem Phänomen der Menschheitsgeschichte jedenfalls nicht gerecht.

Das Thema Judenvernichtung

Zum Holocaust heißt es auf S. 21: „Die systematische und industrielle Ermordung von JüdInnen, Sinti und Roma, sowjetischen Kriegsgefangenen, PolInnen u.a. sowie der brutale Einsatz von mehr als sieben Millionen ZwangsarbeiterInnen als Sklaven für die deutsche Gesellschaft während des Krieges waren monströse, durch Rassismus motivierte Verbrechen. Sie haben durchaus mit dem Kolonialismus zu tun.“

Viele Deutsche, heißt es weiter, hätten nach dem 1. Weltkrieg das Gefühl gehabt, zu kurz gekommen zu sein und nicht wie andere über Kolonien zu verfügen.

„Die Nationalsozialisten knüpften mit der Besetzung fast aller Länder Europas während des Zweiten Weltkrieges an den Kolonialismus an. Deutschland übernahm das Konzept des überseeischen Kolonialismus und der Versklavung von Afrikanern und übertrug es auf die Europäer. Namentlich die Slawen, also vor allem Polen und die Bürger der Sowjetunion sowie die europäischen Juden galten den Nationalsozialisten als Untermenschen und waren für die Versklavung und Vernichtung vorgesehen.“

Eine Seite weiter heißt es, der Antisemitismus sei erst nach dem 1. Weltkrieg in die Mitte der deutschen Gesellschaft vorgedrungen. Die Vorstellung, deutscher Expansionsdrang und die Vernichtung der Juden hätten ihren Ursprung in einer gescheiterten deutschen Kolonialpolitik ist, gelinde gesagt, skurril. Die Rassenideologie der Nazis war beeinflusst von der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufkommenden biologistischen Rassenlehre. Antisemitismus hielt sich lange vor dem 1. Weltkrieg in der Mitte der Gesellschaft auf, wie die Autoren und Autorinnen selbst auf Seite 27 nahelegen, wenn sie den Antisemitismus der mittelalterlichen europäischen Gesellschaften und dessen Niederschlag in der sakralen Kunst beschreiben. Das gesamte Mittelalter hindurch waren christliche europäische Gesellschaften quer durch alle Gesellschaftsschichten judenfeindlich und sie blieben es bis ins 20. Jahrhundert: „Es war Papst Innozenz III. (1198-1216), der die Ausgrenzung der Juden aus der christlichen Umwelt betrieben und den Juden den Weg ins Ghetto gewiesen hat“,[12] dessen Tore in Deutschland erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts von der napoleonischen Armee wieder geöffnet wurden.

Die von den Autoren vorgenommene Gleichsetzung von Vernichtung und Versklavung, von Judenvernichtung und Zwangsarbeit von Kriegsgefangenen und kolonialer Sklaverei geht über die wesentlichen Unterschiede zwischen Sklavenarbeit und Vernichtung eilfertig hinweg. Holocaust und antislawischer Rassismus werden so zu einem Phänomen zusammengefasst und der Wille der Nationalsozialisten zur vollständigen Vernichtung aller lebenden Juden ignoriert. Weder die Sklaven in den europäischen Kolonien, noch die slawischen Kriegsgefangenen des Dritten Reichs waren für die Vernichtung vorgesehen; sie sollten arbeiten. Dass viele dabei umkamen und man, vor allem was das nationalsozialistische Deutschland betrifft, durchaus von Vernichtung durch Arbeit sprechen kann, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Vernichtung in diesem Fall billigend in Kauf genommen wurde, sie war nicht Ziel. Slawen wurden als „rassisch minderwertige“ Untermenschen betrachtet, als Arbeitssklaven für Deutsche, aber es gab keinen Plan, sämtlichen Slawen zu ermorden. Juden jedoch waren ausnahmslos zur systematischen Vernichtung bestimmt. Dieses Ziel verbarg sich hinter dem Begriff „Endlösung“. In russischen Dörfern, unmittelbar hinter der Front, agierten eigens zu diesem Zweck installierte nachrückende Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD, deren Auftrag darin bestand, alle Juden auszusortieren und in nahe gelegenen Wäldern oder Schluchten zu erschießen.[13] Bis Ende 1941 fielen diesen Einsatzgruppen nach eigenen Angaben 500.000 Juden zum Opfer. Hätten die Nationalsozialisten ausnahmslos alle genannten Gruppen vernichten wollen, hätten sie sich die Arbeit der Selektion sparen können. Es waren auch ausschließlich Juden, die möglichst ausnahmslos und direkt in die Vernichtungslager deportiert werden sollten. Die Vernichtungslager der Aktion Rheinhard (Treblinka, Sobibor und Belzec) waren zu diesem Zweck errichtet worden. Der absolute Vernichtungswille gegenüber Juden – und nur gegenüber Juden – zeigt sich auch im Protokoll der Wannseekonferenz: In der Auflistung der für die „Endlösung“ vorgesehenen Juden sind neben jenen, die in bereits von Deutschland besetzten oder mit Deutschland verbündeten Staaten lebten, auch diejenigen Juden aufgezählt, die in der Türkei, in Portugal, Spanien, England und Irland lebten.[14] Dieser Vernichtungswille lässt sich nicht mit einer gescheiterten Kolonialpolitik erklären, sondern nur mit einem über Jahrhunderte tradierten und ausgefeilten Hass auf Juden, der sich oft genug in Pogromen entladen hatte und der mit dem Biologismus des 19. Jahrhunderts einen modernen, „wissenschaftlichen“ Anstrich bekam.

„Der moderne Antisemitismus ist ohne die religiöse Judenfeindschaft, ohne die daraus entstandene Wahrnehmung der Juden als besondere – fremde und feindliche – Gruppe, nicht denkbar. Sie brachte die ‚modernen‘ Antisemiten jeglicher Couleur erst auf die Idee, die Juden besonders zu betrachten. Sie beeinflusste Romantiker und Nationalisten in ihren Vorstellungen von Homogenität und ‚Heilsgemeinschaft‘, in denen dem Juden die Rolle des Gegenparts zukam.“[15]

Dieses Erbe hat die Neuzeit übernommen. Der Weg bis zum Nationalsozialismus ist hier nicht auf die Schnelle zu erklären, aber dort traf die alte Judenfeindschaft auf eine biologistische Sicht der Welt und einen ausgeprägten Chiliasmus, der in der Vernichtung der Juden den Weg ins Heil sah.[16] Hat schon das Streben der Nationalsozialisten nach Weltherrschaft wenig mit dem Konzept des Kolonialismus zu tun – es nahm sich vielmehr die großen Imperien der Weltgeschichte zum Vorbild – so ist die Verbindung von Kolonialismus und Judenvernichtung gänzlich an den Haaren herbeigezogen. Die Vernichtung der Juden passt nicht in jenes ökonomistische Muster, das die Autoren und Autorinnen mit der Gleichsetzung mit Kolonialismus und Sklaverei nahelegen.

Es liegt mir fern, europäischen Rassismus und die Verbrechen des europäischen Kolonialismus zu relativieren, aber eine Auseinandersetzung mit Rassismus wird dem Thema nicht gerecht, wenn sie das Phänomen europäisiert. Rassismus als Ausdruck von Angst und Hass auf die Anderen ist Bestandteil der Menschheitsgeschichte und überall anzutreffen, und das nicht erst seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert. Mit dem aktuellen Themenheft „Rassismus erkennen & bekämpfen“ verbreitet das Netzwerk Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage Fehlinformationen. Dass unter den Autoren und Autorinnen keine Historiker und Historikerinnen sind, kann diesen Umstand nicht hinreichend erklären, denn die dafür benötigten Informationen sind leicht zugänglich, das eine oder andere sogar auf Wikipedia zu finden. Die Auslassungen und Fehler haben System, sie sind die Folge einer ideologischen Verhaftung, sie entspringen, wie Alan Posener es nannte, einem „simplen antiimperialistischen Schema“.[17] Es ist zwar ehrenhaft, den eigenen, europäischen Anteil an der Geschichte des Rassismus kritisch zu beleuchten und hervorzuheben, die Geschichte politisch zu instrumentalisieren, ist weniger ehrenvoll. Der Komplexität der Phänomene Rassismus und Antisemitismus kann eine ideologische Herangehensweise nicht gerecht werden. Handelte es sich nur um eine publizierte persönliche Meinung, wäre dies nicht weiter problematisch, aber das Themenheft wurde aus Mitteln des deutschen Staates und der EU gefördert und wird an Schülerinnen und Schüler verteilt. Das Bildungsministerium sollte mehr Sorgfalt bei der Überprüfung der Themenhefte von Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage walten lassen.



[1] Bundeskoordination Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage (Hg.), Rassismus erkennen & bekämpfen, Berlin 2013, S. 70.

[2] Bundeskoordination Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage (Hg.), Klimawechsel in der Schule. Das Courage-Netzwerk. Wer wir sind, was wir tun, Berlin 2013, S. 5-18.

[3] Egon Flaig, Weltgeschichte der Sklaverei, München 2009, S. 86.

[4] Wirtz, Albert, Sklaven und kapitalistisches Weltsystem, Frankfurt 1984, S. 42

[5] ebd., S. 52.

[6] Flaig, Weltgeschichte, S. 103, 149.

[7] Heiko Heinisch, Nina Scholz, Europa, Menschenrechte und Islam – ein Kulturkampf?, Wien 2012, S. 231

[8] zitiert nach Flaig, Weltgeschichte, S. 129

[9] Aristoteles Pol. 1285a, 15-25

[10] Englische Übersetzung des arabischen Originals, zitiert nach: Walvin, James, A Short History of Slavery, London 2007, S. 32. Siehe auch: Egon Flaig, Vom Rassismus zum Hautfarbenrassismus. Wo und wie wurde ein diskursives Konstrukt plausible?, in: Institut für Kulturgeschichte der Universität Augsburg, Mitteilungen, Heft 19/2010, S. 23

[11] Zülfü Livaneli, Der Eunuch von Konstantinopel (türkisch: Engereğin Gözündeki Kamaşma, erschienen 1996), Zürich 2002

[12] Nina Scholz, Antisemitismus in den Wiener Pfarren, in: Gerhard Botz; Ivar Oxaal; Michael Pollak; Nina Scholz (Hg.), Eine zerstörte Kultur. Jüdisches Leben und Antisemitismus in Wien seit dem 19. Jahrhundert, Wien 2002, S. 287

[13] Die Einsatzgruppen wurden bereits für den Krieg gegen Polen 1939 gebildet. Hier waren sie für die Jagd der polnischen Elite zuständig. Am Balkan ermordeten sie neben „Kommunisten“ und Juden auch Sinti und Roma. Aber zu Beginn des „Russlandfeldzugs“ wurden sie ausschließlich zur Suche und Ermordung von Juden und „Partisanen“ eingesetzt. Siehe u.a.: Heinz Höhne, Der Orden unter dem Totenkopf, München 1967, S. 330

[14] Heiko Heinisch, Hitlers Geiseln. Hegemonialpläne und der Holocaust, Wien 2005, S. 200.

[15] Nina Scholz, Antisemitismus, a.a.O., S. 299

[16] In Mein Kampf schrieb Hitler, optisch durch Sperrdruck hervorgehoben: „Indem ich mich des Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn.“ (Adolf Hitler, Mein Kampf, Volksausgabe von 1934, S. 69 f.

[17] siehe auch Alan Poseners Erwiderung auf Eberhard Seidels Verteidigung auf Starke Meinungen