Wieviel Scharia verträgt Europa?

Vortrag, gehalten auf dem 17. Wiener Kulturkongress am 6. Nov. 2012

In den letzten Jahren wurde von verschiedenen Seiten die Forderung erhoben, Teile der Scharia in das Privat- bzw. Zivilrechtrecht europäischer Rechtssysteme aufzunehmen. Einige der größeren islamischen Verbände treten immer wieder mit dieser Vorstellung an die Öffentlichkeit – so etwa der Zentralrat der Muslime in Deutschland, um einen der bekanntesten zu nennen. Aber nicht nur Muslime können sich mit diesem Gedanken anfreunden. Zuletzt ließ der rheinland-pfälzische Justizminister Jochen Hartloff (SPD) aufhorchen. Er will ergänzend zum deutschen Recht bei zivilen Streitigkeiten auch das Rechtssystem des Islams anwenden. Das größte Aufsehen erregte vermutlich der anglikanische Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, der im Februar 2008 vorschlug, Teile der Scharia-Gesetzgebung in die britische Zivilrechtssprechung aufzunehmen, weil sich „Teile der Gesellschaft nicht mit unseren Gesetzen identifizieren.“ Diese Begründung ist vor allem deshalb bedenklich, weil sie einer Kapitulationserklärung des Rechtsstaates gleichkommt. Im Oktober desselben Jahres meldete sich der bayrische FDP-Landtagsabgeordnete Georg Barfuß mit der Forderung zu Wort: „Wo die Scharia mit dem Grundgesetz vereinbar ist, sollte sie erlaubt werden.“

Angesichts dieser Forderung stellt sich die Frage, inwieweit die Scharia mit europäischem Recht, mit europäischen Verfassungen und den Menschenrechten vereinbar ist. Ausgehend von dieser Fragestellung möchte ich die folgenden Überlegungen anstellen: Wieviel Scharia verträgt Europa?

Vorweg einige Bemerkungen zum Vergleich der beiden Rechtssysteme: Der Zentralrat der Muslime in Deutschland, der – wie gerade erwähnt – die Einführung von Scharia-Bestimmungen befürwortet, argumentiert, dass das islamische Recht letztlich den gleichen Grundwerten verpflichtet sei wie die europäischen Verfassungen. Dieser Verweis auf die vermeintlich gemeinsamen Grundwerte ist ein häufig verwendetes Argument von Befürwortern der Scharia im Zivilrecht. Wäre dem so, würde sich allerdings die Forderung erübrigen, denn dann müssten jene, die die Scharia wünschen, auch mit dem europäischen Recht zufrieden sein können. Tatsächlich handelt es sich bei Scharia und europäischem Recht um zwei grundsätzlich verschiedene Rechtssysteme:

Die Scharia wird als göttliches Recht verstanden, als ein Recht, das unmittelbar von Gott gesetzt wurde und genau daraus seine Legitimation bezieht. Demgegenüber hat sich in Europa spätestens seit dem 16. Jahrhundert eine Rechtsauffassung durchgesetzt, die das Recht von theologischen Lehrsätzen getrennt hat. Maßgeblich war hier die Scholastik und insbesondere die spätscholastische Schule von Salamanca. Dort arbeiteten Theologen und Juristen wie etwa Francisco de Vitoria, der bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Formel prägte: „Nichts, was vom natürlichen Gesetz erlaubt wird, wird vom Evangelium verboten.“ Es handelt sich um jene Rechtsauffassung, die sich bereits in Rechtsbüchern wie dem „Sachsenspiegel“ im ersten Drittel des 13. Jh. findet, sich also schon etwa drei Jahrhunderte durch die theologischen und juristischen Dispute gezogen hatte, und die im Salamanca des 16. Jh. nun philosophisch begründet wurde. Die Theologen und Juristen von Salamanca gingen dabei von einer zweifachen Offenbarung aus. Neben der übernatürlichen Offenbarung, die in den Evangelien festgeschrieben sei, habe sich Gott – und das ist in gewisser Weise ein neuer Gedanke – auch in der von ihm geschaffenen Welt offenbart. Und diese Welt, die Natur, halte sich offensichtlich an Gesetze, die unserer Vernunft zugänglich seien, die wir mittels der uns ebenfalls von Gott verliehenen Vernunft erforschen und begreifen könnten – so – vereinfacht gesagt – die Argumentation. Die Grundlagen dieser Idee lassen sich bis auf Thomas von Aquin (1225-1274) zurückverfolgen, der bereits von einer „der Vernunft zugänglichen göttlichen Schöpfung“ gesprochen hatte. Der Jurist Fernando Vázquez de Menchaca, um wieder auf die damals maßgebliche Schule von Salamanca zurückzukommen, trennte im 16. Jahrhundert, auf dieser Vorstellung aufbauend, konsequent den Bereich des Natürlichen, um den allein sich das weltliche Erkenntnisstreben drehe, vom Bereich der übernatürlichen Offenbarung der Evangelien, der die Sache der Theologen sei. Aus dem Bereich des Natürlichen leitete er in der Folge mittels Vernunft Recht ab – nämlich das Naturrecht. Jedes Gesetz müsse diesem natürlichen Recht genügen und also notwendig und nützlich, kurz: vernünftig sein. Vázquez war meines Wissens auch der erste, der hierfür 1564 den Begriff „Menschenrechte“ prägte: Jeder Mensch verfüge – so seine Überzeugung – von Natur aus über unabänderliche Rechte. Damit gelang es Vázquez, den Rechtsbegriff von der Theologie zu trennen. Das Recht befand sich fortan auf dem Weg seiner Säkularisierung. Der Einfluss, den die Ideen der Schule von Salamanca in der Folge auf die Philosophie der Aufklärung haben sollten, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Sie öffneten letztendlich das Tor zum modernen Recht, wie wir es heute in Europa kennen.

In der islamischen Welt beschritt man andere Wege, auch wenn es dort Gelehrte gegeben hat, die ähnlich dachten. Sie blieben jedoch immer eine verleumdete Minderheit. Das islamische Recht beruht bis heute auf Auslegung einer göttlichen Offenbarung, wie sie in Koran und Sunna festgeschrieben sei.

Die Scharia repräsentiert ein theozentrisches Prinzip, während europäisches Recht anthropozentrisch ist. Grob gesagt regelt modernes Recht die Beziehungen der Menschen untereinander, während die Scharia daneben – oder richtiger gesagt: in erster Linie – das Verhältnis des Menschen zu Gott regelt. Daraus folgt zwangsläufig, dass die Scharia den Begriff des Rechts wesentlich umfänglicher auslegt als unser Rechtssystem. Die Scharia umfasst neben jenen Bereichen, die in Europa in den Bereich des Rechts fallen, also Strafrecht und Privatrecht, auch den gesamten Bereich des Ritus bis hin zu vielen Handlungen des alltäglichen Lebens. Die Scharia verkörpert mithin die weitest mögliche Auslegung von Recht überhaupt. Sie umspannt alle Aspekte der religiösen, moralischen, sozialen und rechtlichen Normen. Die fünf Säulen des Islam (Glaubensbekenntnis, Gebete, Fasten, Almosensteuer und Wallfahrt) werden ebenso von der Scharia geregelt, wie der Abschluss eines Ehevertrages; Gebetszeiten, Gebetsrichtung, Körperhaltung beim Gebet, Worte und Sprache des Gebets und die rituelle Waschung ebenso, wie der Umgang der Menschen untereinander bis hin zur Sexualität, wenn etwa festgelegt wird, wie häufig ein Mann mit seiner Frau schlafen muss, damit sie nicht wegen Vernachlässigung die Scheidung einreichen kann oder wann und wie Sex überhaupt stattfinden darf. Erbrecht, Zinsverbot, Speiseverbote, Reinigungsgebote, Kleidervorschriften – das alles wird neben Strafdelikten aller Art aus der jeweiligen Scharia abgeleitet. Ich spreche von jeweiliger Scharia, weil die verschiedenen islamischen Rechtsschulen, die sich bereits in den ersten Jahrhunderten regional voneinander getrennt herausbildeten, zu zum Teil sehr unterschiedlichen Auslegungen des Rechts, also zu eigenen Interpretationen von Koran und Sunna fanden – eine Tatsache, die, nebenbei gesagt, den bekannten, verfolgten und mittlerweile verstorbenen Islamwissenschaftler Hamid abu Zaid veranlasste, darauf hinzuweisen, dass die Scharia nicht von Gott, sondern von Menschen geschaffen sei.

Damit komme ich zurück auf die eingangs gestellte Frage „Wieviel Scharia verträgt Europa?“ Jene Teile der Scharia, die keinen Rechtsbereich im modernen Sinne berühren und nicht in die Rechte anderer eingreifen, sind in der Regel mit europäischem Recht vereinbar, wenn nicht sogar durch die in Verfassungen festgeschriebenen Menschenrechte geschützt. Das betrifft zunächst den gesamten Bereich des Ritus und der Glaubenspraxis. Wer nach der Scharia betet, fastet, spendet und pilgert, wird durch das Recht auf Religionsfreiheit in all diesen Handlungen geschützt. Wer kein Schweinefleisch essen und keinen Alkohol trinken will, braucht dies nicht zu tun und zwar – und das ist entscheidend – unabhängig davon, ob dieser Verzicht durch ein religiöses Gesetz gefordert, wegen einer politischen Einstellung für richtig gehalten oder einfach einer persönlichen Marotte wegen geübt wird. Nach der Scharia zu speisen, ist ebenso erlaubt wie vegane Ernährung. Als  Ausdruck der persönlichen Lebensführung geht es weder Staat noch Gesellschaft etwas an. Es ist auch niemand gesetzlich gezwungen, einer Person des anderen Geschlechts die Hand zu geben. Er oder sie verstieße damit allenfalls gegen die Regeln der Höflichkeit einer anderen Kultur, aber niemand wird gezwungen, höflich zu sein. Kurz gesagt: Handlungen, die nicht ausdrücklich verboten sind, sind erlaubt, und zwar unabhängig von den Beweggründen der handelnden Person. Dem Gesetz ist die Motivlage, die zu einer erlaubten Handlung führt, egal. Eine etwaige religiöse Motivation spielt nur für die handelnde Person selbst eine Rolle.

Über diesen Bereich hinaus gibt es aus der Scharia abgeleitete rechtlich relevante Handlungen, die mit europäischem Recht vereinbar sind. Ein Beispiel ist hier vielleicht das Islamic Banking, das durch das Recht des freien Vertragsschlusses gedeckt ist. Zwischen zwei oder mehreren Parteien geschlossene Verträge sind gültig, wenn sie nicht gegen bestimmte Gesetze oder gegen die sogenannten guten Sitten verstoßen. Auch hier ist dem Gesetz die religiöse Begründung hinter den Verträgen egal.

Berühren schariarechtliche Bestimmungen jedoch unser Rechtssystems unmittelbar, wird es problematisch – und zwar aus einem oft übersehenen Grund, der das Fundament unseres Rechtssystems unmittelbar betrifft: Es sind nicht die erschreckenden Körperstrafen (niemand, der ernst zu nehmen ist, fordert das Strafrecht nach der Scharia, es geht in der Debatte in der Regel ausschließlich um Bestimmungen aus dem Familien- oder allgemeiner gesagt aus dem Privatrecht). Und es ist auch nicht das, etwa die Gleichberechtigung der Geschlechter betreffend, auch zivilrechtlich besonders problematische Recht der Scharia, das eine Einführung desselben in unsere Rechtssysteme verbietet. – Es ist unser Rechtssystem selbst, das eine Einführung von Scharia-Bestimmungen in selbiges verbietet. Die auch nur partielle Einführung anderer Rechtssysteme (nicht nur der Scharia) verstieße gegen zwei Grundsätze einer demokratischen und auf den Menschenrechten basierenden Rechtsordnung:

  1. Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
  2. In gleichen Fällen gilt gleiches Recht.

Diese Grundsätze ergeben sich unmittelbar aus dem menschenrechtlichen Rahmen europäischer Rechtsordnungen, der eine Ungleichbehandlung aufgrund von Geschlecht, von ethnischen oder religiösen Zugehörigkeiten etc. verbietet. Um eine solche Ungleichbehandlung, nämlich aufgrund einer religiösen Zugehörigkeit, würde es sich aber handeln, würden Muslime zum Beispiel im Familienrecht nach der Scharia behandelt. Vor dem Gesetz wären nicht mehr alle gleich, sondern der rechtliche Status einer Person hinge von ihrer Herkunft ab. Man nennt das Sonderrecht. Und ein solches ist per definitionem exklusiv, unabhängig davon, ob es von den Betroffenen befürwortet oder abgelehnt wird. Sonderrecht schließt aus und trägt damit nicht zur Integration bei, sondern trennt die Gesellschaft in willkürlich definierte Bestandteile. Sonderrecht ist seinem Wesen nach kollektivistisch, es bezieht sich auf Gruppen und nicht auf den einzelnen Menschen, und kann, wie die Geschichte gezeigt hat, in extremen Fällen zum Ausschluss ganzer Gruppen aus der Gesellschaft genutzt werden. Zudem stellt sich die Frage, für wen das Sonderrecht – in unserem Fall das Schariarecht – gelten soll?

Als in der kanadischen Provinz Ontario im Jahr 2005 diskutiert wurde, neben den bereits existierenden christlichen und jüdischen Schiedsgerichten für Familienrechtsangelegenheiten auch islamische einzuführen, waren es in erster Linie die dortigen Muslime selbst, vor allem Frauen, die gegen diesen Plan auf die Straße gingen und genau diese Fragen stellten: Wer muss seine Angelegenheiten vor diese Gerichte tragen? Alle kanadischen Muslime oder jene, die es ausdrücklich wünschen? Und wie gedenkt der Staat jene zu schützen, die durch sozialen Druck oder Schlimmeres gezwungen werden, sich an diese Schiedsgerichte zu wenden und deren Entscheidungen zu akzeptieren? Zwar war im Entwurf eine übergeordnete staatliche Berufungsinstanz vorgesehen, aber gerade die Schwächsten einer religiösen Gemeinschaft wären kaum in der Lage gewesen, gegen den Willen ihrer Community und Familie Entscheidungen des Schariagerichts anzufechten, während sich der Staat durch eine Berufungsinstanz direkt am System einer parallelen Rechtsprechung beteiligen würde. Der einzig wirksame Schutz gegen rechtswidrige Entscheidungen religiöser Gerichte besteht darin, diese nicht zuzulassen. Und so kam es auch: Die Regierung Ontarios schaffte jegliche religiösen Schiedsgerichte wieder ab. Besonders problematisch erscheint mir zudem, dass die Einführung religiöser Schiedsgerichte zwangsläufig eine staatliche Förderung interner Hierarchien und Machtstrukturen bedeuten würde, die in aller Regel den konservativsten und am stärksten auf religiöser Identität und Segregation beharrenden Teilen einer religiösen Community zu Gute käme. Denn sie würden es letztlich sein, die diese Gerichte leiten, sind sie es doch, die deren Einführung fordern.

Gegenüber exklusivem Sonderrecht ist modernes europäisches Recht inklusiv: Vor dem Gesetz ist jeder gleich.

Auf die eingangs erwähnte Forderung des bayrischen Landtagsabgeordneten Georg Barfuß, überall dort, wo die Scharia mit dem Grundgesetz vereinbar sei, solle sie auch erlaubt werden, lässt sich zusammenfassend erwidern: Überall dort, wo die Scharia mit dem Grundgesetz vereinbar ist, ist sie erlaubt, ohne dass dies besonders erwähnt oder gar in Gesetze gegossen werden müsste. Sollte mit seiner Forderung aber eigentlich intendiert werden, schariarechtliche Bestimmungen in europäische Gesetzgebungen als Sonderrecht für Muslime aufnehmen zu wollen, so widerspricht sie sich selbst, denn das wäre nicht möglich, ohne die Grundlagen unseres Rechtssystems – also Grundgesetz oder Verfassung – auszuhebeln.

Solange die Scharia Gläubigen als Wegweiser zur eigenen, individuellen Lebensführung dient, ist sie mit europäischem Recht vereinbar, aber nicht darüber hinaus.

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Kurzer Nachtrag zum Internationalen Privatrecht: Eine Ausnahme vom bisher Gesagten ist das Internationale Privatrecht, kurz IPR. Hier sind europäische Gerichte zuweilen gezwungen, nach auf der Scharia basierendem Recht zu urteilen: Das IPR ist ein auf internationalen Abkommen basierender Bestandteil nationaler Gesetzgebungen. Grundlage ist der Gedanke, dass in einem anderen Land gültig zustande gekommene Rechtsverhältnisse auch dann fortbestehen sollen, wenn die Beteiligten nicht mehr dort leben. Wenn also beispielsweise ein Ehepaar aus Jordanien nach Österreich kommt, ist deren Ehe auch hier anzuerkennen. Ergeben sich aus diesem Rechtsverhältnis Streitigkeiten – etwa der Wunsch nach einer Scheidung – so hat ein österreichisches Gericht zu prüfen, nach welchem Recht (österreichischem oder jordanischem) die Scheidung durchzuführen ist. Diese Prüfung ist immer dann vorzunehmen, wenn ein sogenannter Auslandsbezug besteht. Bis vor kurzem war in Deutschland und Österreich beispielsweise der Auslandsbezug immer dann gegeben, wenn die Beteiligten eine ausländische Staatsbürgerschaft besaßen, was dazu geführt hat, dass auch Menschen, die oft schon seit Jahren oder Jahrzehnten hier lebten, in Privatrechtsangelegenheiten weiter nach dem Recht ihrer Herkunftsländer behandelt wurden. Seit dem 21. Juni dieses Jahres gilt eine EU-weite Regelung, nach der das Recht jenes Staates zur Anwendung kommt, in dem die Beteiligten ihren gewöhnlichen Aufenthalt, also ihren Lebensmittelpunkt haben. Die Anwendung ausländischer Rechtsnormen hat allerdings ihre Grenzen: Würde die Anwendung einer ausländischen Rechtsnorm in ihrem Ergebnis den Grundwerten des inländischen Rechts zuwider laufen, darf sie nicht angewendet werden. Das ist der sogenannte ordre public, der die Fundamente des rechtlichen und sozialen Zusammenlebens, wie etwa persönliche Freiheit, Gleichberechtigung und ganz allgemein die Menschenrechte schützt. Gegenüber dem höchst problematischen Recht der Scharia bekommt er eine tragende Bedeutung. So darf z.B. in Österreich in einem Sorgerechtsstreit nicht nach jordanischem Recht geurteilt werden, weil dieses die Kinder automatisch, ohne Rücksicht auf das Wohl des Kindes, dem Vater zuspricht, während österreichisches Recht das Wohl des Kindes in den Vordergrund stellt. Auch Scheidungen durch Verstoßung der Frau sind nicht möglich und selbstverständlich ist die Aussage einer Frau vor hiesigen Gerichten genauso viel wert wie die eines Mannes. Probleme bei der Anwendung des IPR gibt es diesbezüglich nur mit islamischen Staaten, deren Recht ganz oder teilweise auf der Scharia beruht, also etwa nicht mit der Türkei, die 1926 das Schweizer Bürgerliche Gesetzbuch übernommen hat.

Ausführlicher findet sich das hier Gesagte in den Kapiteln „Scharia“ und „Menschenrechte“ im Buch Europa, Menschenrechte und Islam – ein Kulturkampf? von Nina Scholz und mir.

 

4 Gedanken zu „Wieviel Scharia verträgt Europa?

  1. Nachdem ich diesen Artikel gelesen habe, habe ich mit meiner Türkischen Freundin geredet über Sharia Recht und sie hat mich gefragt was das ist! Sie hatte nie davon gehört!

    Obwohl meiner Familie Christlich ist, ist Kanonisches Recht genauso irrelevant für uns.

    Jetzt frage ich mich:

    Warum suchen wir (Europäer) denn die Dunkelsten Seiten von einer andere Kultur aus – haben wir denn so viel Angst?
    Ist das nur die Sensationsgier?

    Ich könnte sicher auch ein Paar Jüdische Freunde fragen über ‘halacha’- Hindu Freunde, Buddhistische Freunde und anderen über ihre Religöse Gesetze, und wir würden sicher auch viele Gemeinsamkeiten finden und uns damit (wenigstens teilweise) anfreunden können.

    Aber wenn wir geschlossen und voller Angst bleiben, sorgt das nur für weitere Desinformation und dadurch Polarizierung.

    Sportler und Musiker aus verschiedenen Kulturen in Österreich spielen mit großem Erfolg zusammen und die haben uns schon den Weg gezeigt – vielleicht sollen die Akademiker jetzt daraus was lernen.

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    Ich habe jetzt die ganze Rede von Rowan Williams (Absatz 1 oben) gelesen und ich halte es für eine sehr mutige, offene und eloquente Auseinandersetzung mit einem sehr Komplexen Thema:

    http://www.guardian.co.uk/uk/2008/feb/07/religion.world2

    Er macht uns auf das Thema aufmerksam…
    Er warnt uns vor mögliche Ängste und Unsicherheit…
    Er warnt uns vor die Sensationsmache…
    Er möchte ein Paar Märchen beseitigen…
    Er sagt sein Ziel ist ALLEINE die breitere Aspekte herauszukitzeln…!

    Allerdings kann ich das hier aus Ihrem Blog nirgendwo finden :

    …der anglikanische Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, [….. ] vorschlug, Teile der Scharia-Gesetzgebung in die britische Zivilrechtssprechung aufzunehmen, weil sich „Teile der Gesellschaft nicht mit unseren Gesetzen identifizieren.“
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    LIEBE HEIKO!!!!! – reden wir hier über die gleiche Rede überhaupt?
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    WO GENAU schlägt er vor, Teile der Scharia-Gesetzgebung aufzunehmen?
    WO GENAU sagt er dass Menschen sich nicht mit britischen Gesetze identifizieren kann?

    FRAGE NUMMER ZWEI :
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    Ist das hier Ihre ehrliche Meinung:

    “Diese Begründung ist vor allem deshalb bedenklich, weil sie einer Kapitulationserklärung des Rechtsstaates gleichkommt.”

    Die NICHTIDENTIFIZIERUNG = KAPITULATION DES RECHTSSTAATES?????

    Habe ich das richtig verstanden?

    Soll ich jetzt ANGST haben? Ist das nur Sensationsmacherei (die Fakten scheinen nicht zu stimmen)?
    Sind wir im Krieg oder kommen wir uns näher?
    Ich freue mich wenigstens ein Paar Antworten auf meine Fragen von Ihnen zu lesen und würde mich sehr freuen auf dieser Webseite (BLOG) was positives und weniger einseitiges zu lesen…

  2. @John
    In der Rede heißt es gleich zu Beginn:
    “The title of this series of lectures signals the existence of what is very widely felt to be a growing challenge in our society – that is, the presence of communities which, while no less ‘law-abiding’ than the rest of the population, relate to something other than the British legal system alone. ”
    Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob es die Rede ist, über die “Der Telegraph” berichtet, denn die Zitate stimmen nicht ganz überein: http://www.telegraph.co.uk/news/uknews/1577928/Archbishop-Williams-sparks-Sharia-law-row.html
    Das Zitat aus meinem Vortrag verstehen Sie nicht ganz richtig: Nicht die Nichtidentifizierung ist die Kapitulation. Diese bestünde vielmehr darin, Gesetze zu ändern, weil sich Teile der Gesellschaft nicht mit den Gesetzen identifizieren. Diese Änderung käme dann einer Kapitulation gleich.

  3. @Heiko

    “…relate to something other than the British legal system ALONE.”

    „…Teile der Gesellschaft nicht mit unseren Gesetzen AUSSCHLIESSLICH identifizieren.“

    (Ich würde unbedingt “ausschließlich” beibehalten in der Übersetzung)

    Es geht immerhin um die Erweiterung nicht die Abschaffung!

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    Gesetze zu ändern = Kapitulation??

    Kapitulation laut Duden:

    1.sich dem Feind ergeben; sich für besiegt erklären

    2.(angesichts einer Sache) resignierend aufgeben, nachgeben, die Waffen strecken

    Abschaffung der Sklaverei = Kapitulation der Sklavenhändler

    Frauenwahlrecht = Kapitulation des Patriarchats

    Können wir so einfach neue Gesetzesänderungen gleichsetzen mit Kapitulation?
    Ist es nicht sinnvoller die als Bereicherung, Entwicklung oder sogar als Gewinn zu sehen?
    Beide Seiten können hiervon profitieren ohne jegliche Kapitulation – ganz im Sinne von Freiheit, Menschenrechte und Pluralismus wie es oben auf dieser Seite steht.

    (In der Rede wird übrigens plural/Pluralismus minderstens zehn Mal erwähnt!)

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