Integrationsthema Toleranz

Thesen, Ansätze, Diskussion
Eine Gastbeitrag von Zoltan Peter, Universität Wien
(Aufgrund der Länge des Beitrags steht dieser am Ende des Textes auch als Download zur Verfügung)

1. Allgemeine Bestimmungen

Den Impuls zur Entstehung dieses Aufsatzes und somit des im Folgenden zur Diskussion stehenden Projektes lieferte ein von Franzobel Ende 2011 veröffentlichter Artikel; ein Text, in dem er die streitbare, aber nicht überraschende Meinung vertritt, das Toleranzverhalten der „Österreicher“ habe sich in den letzten zwanzig Jahren höchstens an der „Oberfläche“ verbessert.
Zahlreiche Schriftsteller und Schriftstellerinnen Österreichs haben mit ihrer kritischen Übertreibungskunst wohlverdiente internationale Anerkennung erlangt. Ihre

mob41_1172269318überdurchschnittliche Skepsis und ihre meisten überzogene Kritik des öffentlichen Lebens, die sie besonders im Laufe der letzten 100 Jahre praktiziert haben, gehören zu den wichtigsten Eigenschaften zeitgenössischer österreichischer Literatur. Es handelt sich um eine künstlerische Praxis, die ihre bedeutende gesellschaftliche Leistung allerdings nicht so sehr durch eine besonders hohe Stimmigkeit der Argumentation und nicht wegen ihrer Objektivität, sondern durch eine komplexe poetische Wirkung erzielt.

Ein solcher Diskurs erinnert permanent an diverse menschliche und soziale Unzulänglichkeiten, beispielsweise daran, dass die Gesellschaft bei Weitem nicht so tolerant und offen sei, wie sie sein sollte.

Franzobel, einer von den kritischen und engagierten Schriftstellern, hatte die hervorragende Idee, Weiterlesen

Burka und Niqab sind Symbole des Islamismus

Plädoyer für ein Verbot der Gesichtsverschleierung
von Nina Scholz und Heiko Heinisch

Wien, Stephansplatz, Sommer 2014

Wien, Stephansplatz, Sommer 2014

Am 1. Juli 2014 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Klage einer französischen Muslimin gegen das Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit abgewiesen. Das Tragen von Kleidung, die das Gesicht komplett oder bis auf einen Schlitz für die Augen verbirgt, bleibt in Frankreich verboten. Die Juristen unter den Kritikerinnen und Kritikern des Straßburger Urteils, wie z.B. Heinrich Schmitz und Maximilian Steinbeis, beziehen ihre Kritik vor allem auf das zentrale Argument der Urteilsbegründung: Der Europäische Gerichtshof spricht Staaten das Recht zu, die „Bedingungen des Zusammenlebens“ in der Gesellschaft festzulegen (genauer gesagt: Die Bedingungen dafür festzulegen „to live in a space of socialisation which made living together easier“). In Frankreich, so das Gericht, gehöre ein offen gezeigtes Gesicht zu diesen Bedingungen. Kritiker argumentieren, die Haltung des Gerichts sei nicht aus den Menschenrechten heraus begründbar – was jedoch notwendig sei, da das Vermummungsverbot einen Eingriff in die Menschenrechte darstelle. Dieses Argument verfängt insofern nicht, Weiterlesen

Menschenhass und Fußballclubs

ein Gastbeitrag von Gideon Böss

Dieser Text erschien zuerst am 12. Januar 2014 auf dem „Die Welt“-Blog Böss in Berlin

In der letzten Woche hat der Fußball, trotz Winterpause, für ziemliche Schlagzeilen gesorgt. Zum einen, weil sich mit Thomas Hitzlsperger ein ehemaliger Spieler als schwul geoutet hat, was in der Fußballszene, die ein sympathisch feiges Verhältnis zum homophoben Potenzial der eigenen Anhängerschaft pflegt, tatsächlich ein Aufreger ist. Zum anderen, weil der niederländische Verein Vitesse Arnhem sein Trainingslager in Abu Dhabi veranstaltet und einem israelischen Spieler die Einreise verweigert wurde. Man mag keine Juden auf der arabischen Halbinsel. Die Wüsten-Tyrannen, die dort das Sagen über Sklavenhalterstaaten haben, sind überzeugte Antisemiten, sie machen kein Geheimnis daraus. Die Empörung war trotzdem groß, als der Israeli nicht einreisen durfte. Zumindest für einen oder zwei Tage, danach war das Thema schon wieder erledigt. Was geht uns schon der Antisemitismus in anderen Ländern an. Zumal in so exotischen wie den Vereinigten Arabischen Emiraten?

Und tatsächlich ist das eigentlich irritierende ja nicht, dass da einem Israeli die Einreise verweigert wurde. Irritierend ist viel eher, Weiterlesen

Veranstaltung “Gewalt im Namen der Ehre”

 

Titelbild

Dienstag, 26. November 2013, 19 Uhr
Ort: Albert-Schweitzer-Haus, Schwarzspanierstr. 13, 1090 Wien

Podiumsgäste:                                                                 

Ahmad Mansour: Geschlechterrollen zwischen Religion und Tradition.
Moni Libisch und Ercan Nik Nafs: Das Konzept der Ehre in traditionellen Familien aus der Türkei und sein Wandel in der Diaspora – eine theoretische und praxisbezogene Reise.
Moderation: Nina Scholz

Ehre_istIm Anschluss an die Diskussion laden wir zu einem kleinen Umtrunk ein. Weiterlesen

Wahlen und Demokratie

Darf eine gewählte Mehrheit über Minderheiten verfügen? Oder: Was Mursis Demokratievorstellungen mit dem Schweizer Minarettverbot gemein haben.

Ein Gastbeitrag von Nina Scholz

Kann man bereits von einer Demokratie sprechen, wenn Regierung und/oder Präsident, wie in Ägypten geschehen, in freien Wahlen gewählt wurden? Wer die mediale Berichterstattung und – noch bedenklicher – die Kommentare diverser westlicher Politiker nach dem Militärcoup in Ägypten verfolgte, hätte auf diese Idee verfallen können. Viele kritisierten die Machtübernahme des Militärs vor allem deshalb, weil ein demokratisch gewählter Präsident aus dem Amt geputscht worden sei. Die Demokratie in Ägypten habe einen schweren Rückschlag erlitten, so Guido Westerwelle, und eine „solche Aussetzung der demokratischen Ordnung“ sei „keine nachhaltige Lösung der großen Probleme, vor denen Ägypten steht.“[1] In den ersten Meldungen nach dem Putsch wurde stets betont, Mursi sei der erste durch freie Wahlen eingesetzte Präsident gewesen. Implizit verbirgt sich hinter diesen Statements die Vorstellung, Wahlen an sich würden eine Demokratie begründen und die Politik einer gewählten Mehrheit legitimieren. Die deutsche Geschichte gibt uns eines der besten Beispiele für die Falschheit dieser Vorstellung. Weiterlesen

Der Begriff Islamophobie

Eine Leseprobe aus unserem Buch: Heiko Heinisch; Nina Scholz, Europa, Menschenrechte und Islam – ein Kulturkampf?, Wien, Passagen Verlag 2012. Mit freundlicher Genehmigung des Passagen Verlags: Das Kapitel „Der Begriff Islamophobie“.

Der Terminus Islamophobie ist eine Wortneuschöpfung der angelsächsischen Soziologie der 1990er Jahre. Der Begriff operiert mit einer aus der Psychologie stammenden Definition irrationaler Angstzustände: Als Phobie oder phobische Störung wird eine krankhafte, unbegründete und anhaltende Angst vor Situationen, Gegenständen, Tätigkeiten, Tieren oder Personen bezeichnet. Der erste Teil der Wortverbindung benennt den jeweiligen Auslöser dieser Angst, der in Verbindung mit dem Wort Phobie ein Krankheitsbild bezeichnet – zum Beispiel Arachnophobie (griechisch Arachno=Spinne), die Angst vor Spinnen oder Klaustrophobie (lateinisch claustrum=Käfig), die Angst vor engen Räumen. Der Auslöser einer Phobie ist demnach wertfrei; etwas, das für sich genommen nicht bedrohlich ist, aber bei der betroffenen Person Angst bis hin zu Panikattacken auslöst und deshalb in der Psychologie als Krankheitsbild beschrieben wird. Die Begriffsverbindung Islamophobie würde demgemäß eine krankhafte, weil unbegründete, Angst vor dem Islam bezeichnen. Dabei wird geflissentlich übersehen, dass Religionen, Weltanschauungen, Ansichten, wissenschaftliche Theorien, kurz, jegliche Denk- und Vorstellungskomplexe nicht wertfrei sind. Sie rufen naturgemäß entweder Anerkennung/Zustimmung oder Kritik/Ablehnung hervor und sind somit von vornherein Auslöser von Diskussion und Wertung. Wir sprechen zu Recht nicht von Christentumsphobie, wenn Menschen die christliche Lehre und Kirchenpolitik kritisieren oder gar bekämpfen. Die Ablehnung der Evolutionstheorie, die mit dem Versuch einhergeht, Darwins Lehre aus dem Schulunterricht zu verbannen, wird nicht mit dem Begriff Evolutionsphobie beschrieben, ebenso wenig wird Kritik an oder Angst vor dem Kommunismus oder Kapitalismus als Phobie bezeichnet, und sei sie noch so emotional vorgetragen. Weiterlesen

Bilderverbot

Eine Leseprobe aus unserem Buch: Heiko Heinisch; Nina Scholz, Europa, Menschenrechte und Islam – ein Kulturkampf?, Wien, Passagen Verlag 2012. Mit freundlicher Genehmigung des Passagen Verlags: Das Kapitel „Bilderverbot“.          Im Buch selbst ohne Bilder.

Durch den Karikaturenstreit erfuhr die breitere Öffentlichkeit im Westen erstmals von einem in der islamischen Welt üblichen, religiös begründeten Bilderverbot. Im Oktober 2005 hatte die dänische Zeitung Jyllands Posten zwölf Karikaturen zum Thema „Mohammed“ abgedruckt, die in der islamischen Welt eine Welle gewalttätiger Demonstrationen mit Verletzten und Toten auslösten. Vertreter muslimischer Organisationen und Institutionen beriefen sich bei der Ablehnung der Karikaturen neben der Beleidigung religiöser Gefühle auch auf ein strenges Bilderverbot im Islam. Auch manche und mancher westliche Intellektuelle machte sich diese Sicht zu eigen. Günther Grass zum Beispiel kommentierte die Proteste lapidar mit der Bemerkung, den Zeitungsherausgebern sei bekannt gewesen, dass die Darstellung Allahs oder Mohammeds in der islamischen Welt verboten sei.[1] Ist sie das wirklich? Und wenn ja, was hat die übrige Welt mit diesem Verbot zu tun?Jesus+MohammedBereits Anfang 2002 hatte es in mehreren islamischen Ländern eine ähnliche, wenn auch weniger heftige Reaktion auf einen „Verstoß“ gegen das Bilderverbot gegeben, der in Europa allerdings kaum wahrgenommen worden war.

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Der Zweifrontenmeinungskrieg: In der politischen Mitte weht ein rauer Wind

Ein Gastbeitrag von André Krause – ein Plädoyer für den offenen Umgang mit anderen Meinungen und die Bereitschaft zum Kompromiss als Grundlage von offener Gesellschaft und Demokratie

Das Jahr 2012 hat mich in politischer Hinsicht mehrfach auf die Probe gestellt. Ich habe gelernt, dass in der Mitte ein besonders rauer Wind weht. Und auch die kreativsten Geister können sich nicht ausmalen, welche argumentativen Absurditäten mitunter als „legitime Meinung“ gekennzeichnet werden. Nun ja, Schwachsinn steht in einer Demokratie aus guten Gründen nicht auf dem Index.

Wer regelmäßig durch die sozialen Netzwerke oder die Blogosphäre surft, wird mir vermutlich beipflichten. Viele Diskutanten, Kommentatoren und Autoren schlagen ihre virtuellen Zelte an den entlegensten Winkeln des Meinungsspektrums auf. Einige von ihnen dürften auf ihren Abwegen mittlerweile absolutes Neuland betreten haben. Terra incognita. Statt „Reichtum für alle“ lautet die neue Parole „Ein Königreich für jeden“. Die Verlockung ist aber auch enorm: Irgendwo auf dieser Welt gibt es für jeden einen paradiesisch anmutenden Ort, an dem keiner mehr widerspricht, an dem Fakten nur noch eine Meinung sind und das eigene Wort Gesetz ist. Ein Ort, an dem die Realität mit verbissener Leidenschaft abgebloggt wird. Ein paar fanatische Gefolgsleute a.k.a. notorische Ja-Sager streicheln das Ego.

Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass die (scheinbaren) Kontrahenten einander nur noch schemenhaft durch das Fernglas erkennen Weiterlesen

Wir sind Dialog!

Saudi-Arabien1

Die Verbindung von Koran und Schwert in der Flagge Saudi-Arabiens

Österreich bekommt ein König Abdullah Dialog-Zentrum – die Regierung bietet einem der schlimmsten Regime der Welt eine Plattform.

 

Ein Gastbeitrag von Nina Scholz

Ab 26. November 2012 wird es in Wien ein Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog geben. Das wäre eine gute Nachricht, trüge das Zentrum nicht den Namen des saudischen Königs Abdullah, ginge es nicht auf eine Initiative aus Saudi-Arabien zurück und wäre das Königreich nicht sein Hauptfinanzier. Der saudische Botschafter Mansour bin Khalid al-Saud machte 13,4 Millionen Euro locker, um das Palais Sturany am Schottenring 21 für das geplante Zentrum zu erwerben. Die Republik Österreich verzichtet auf die Umsatz- und die Grunderwerbssteuer und befreit das Zentrum dauerhaft von der jährlichen Grundsteuer. Am 13. Oktober 2011 wurde zum Zweck der Zentrumsgründung ein Übereinkommen zwischen Österreich, Spanien und Saudi-Arabien geschlossen, nach dem – zum Erstaunen vieler Beobachter – das Zentrum nicht einfach ein gemeinnütziger Verein oder eine Organisation ist, sondern in den Rang einer diplomatischen Einrichtung erhoben wurde: Mitarbeiter/innen, Experten und Expertinnen des Dialogzentrums werden „Privilegien“ und Immunität(!) gewährt. Das Zentrum erhält exterritorialen Status; österreichische Strafverfolgungsbehörden werden dort keinen Zutritt haben. Im Gegenzug haften die Vertragsparteien für: NICHTS, auch nicht für eventuelle finanzielle Ungereimtheiten oder Schulden, wie es in Artikel XII,2 des Übereinkommens ausdrücklich heißt. Das Zentrum wurde im Nationalrat mit den Stimmen der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP sowie des BZÖ beschlossen. Staatssekretär Wolfgang Waldner (ÖVP) erinnert an die lange Erfahrung, die Österreich im internationalen Dialog habe. Außenminister Michael Spindelegger sieht in der Gründung des Zentrums eine „Fortsetzung der österreichischen Bemühungen, eine Drehscheibe für Dialog zu sein“.

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Meinungsfreiheit light – aus Rücksicht auf Terror?

Ein Gastbeitrag von RA Heinrich Schmitz

Ein bekloppter Amerikaner macht ein selten schlechtes Video über den Propheten Mohammed. In verschiedenen Ländern werden westliche Botschaften angegriffen. Der amerikanische Botschafter in Libyen und drei seiner Mitarbeiter werden ermordet.

Mit großer Begeisterung – und ohne die Richtigkeit auch nur im leisesten anzuzweifeln – wird dem Urheber des Videos, auch von westlichen Politikern, die Schuld oder Mitschuld an den Anschlägen zugeschrieben. Das Video enthält keinerlei Aufruf zur Gewalt.

Wie schön, wenn man einen Schuldigen hat, der von den eigenen Fehlern der Vergangenheit ablenkt und einem zusätzlich noch die Chance gibt, vielleicht nebenbei noch ein kleines bisschen Zensur einzuführen.

Es gab schon Terroranschläge vor diesem Video und Weiterlesen