Lagebild Extremismus und Migration: Fallstudien aus vier österreichischen Migrations-Communitys

Die gemeinsam von Peter Neumann, Nicolas Stockhammer, Nina Scholz und mir verfasste Studie ist im Juni erschienen.

Die PRESSE schreibt darüber:

“Welche extremistischen Strömungen gibt es unter Migranten in Österreich? Diese Frage ist in Politik und Medien Dauerthema. Größere Studien dazu waren bisher aber eher Mangelware. (…)

Tendenzen für gewaltbereiten Extremismus sind in der türkischen Gemeinschaft laut der Studie von „geringer Bedeutung“. Es gebe daher nur eine kleine Minderheit von türkischen Migranten in der jihadistischen Szene.
Problematisch sei jedoch die unter türkischen Jugendlichen verbreitete „Schnittmenge zwischen Nationalismus und Islamismus“. Sie richte sich „gegen vermeintliche Gegner innerhalb der türkischen Community“.
Die größere Rolle spiele aber der aktivistische und der passive Extremismus. Bei Letzterem handelt es sich um Abschottungstrends in der Gemeinschaft, die sich von der Mehrheitsgesellschaft abkapseln will. Der aktivistische Extremismus hingegen infiltriert die Mehrheitsgesellschaft, um seine Ziele durchzusetzen.
Beide Formen spiegeln sich in der türkisch-islamistischen Gruppe Millî Görüş wider, die in Österreich als „Islamische Föderation“ auftritt.
Unter tschetschenischen Migranten sei aktivistischer Extremismus kaum zu beobachten. Dafür würden gewaltsame und passive Formen des Extremismus dominieren, so der Bericht. Das Radikalisierungspotenzial sei „nach wie vor erheblich“. Die Gemeinschaft sei vergleichsweise klein, gelte aber als „hochproblematisch“.
Ein „erhebliches Radikalisierungspotenzial“ ortet die Studie auch bei Migranten aus dem arabischen Raum. Ob sie sich radikalisieren, hänge davon ab, ob die Integration der „vorwiegend jungen, meist männlichen und zum Teil von ganz anderen Wertvorstellungen geprägten Syrer und Iraker“ gelinge. Mit der Muslimbruderschaft sei in Österreich bereits ein etablierter Vertreter des aktivistischen Extremismus vorhanden, der hier weiter an Boden gewinne könne.
In den bosnischen und albanischen Gemeinschaften in Österreich sei eine „hohe Resilienz gegenüber Extremismus vorhanden“. Die historischen Verbindungen zu Österreich, der traditionell liberal geprägte bosnische Islam und der albanische Nationalismus würden es „religiös inspirierten Extremisten schwer machen“, an die Menschen „heranzukommen“. Es habe sich nur eine „kleine extremistische Minderheit gebildet, die weitgehend isoliert agiert“.” https://www.diepresse.com/13432504/wo-der-extremismus-unter-migranten-waechst
Die Studie kann hier gratis heruntergeladen werden: https://www.bmi.gv.at/bmi_documents/3020.pdf

Interview zur Rolle der Moscheen

Herbert Gnauer hat mit mir im Kitchen Talk für Idealism Prevails über die Wiener Moschee Studie, problematische Moscheeverbände wie die Islamische Föderation (Milli Görüs (deutsch: Nationale Sicht)) und Integration gesprochen.
Politisch, islamistisch und/oder nationalistisch orientierten Organisationen den Status als Religionsgemeinschaften zuzugestehen und sie damit unter dem Schutzschild der Religionsfreiheit agieren zu lassen, halte ich für einen Fehler.
Das gesamte Interview (72 Minuten):

Die Moscheestudie und die Glaubensgemeinschaft

Nach Erscheinen der Studie „Die Moschee im Integrationsprozess“ von Imet Mehmedi und mir, für die unter anderem Freitagspredigten beobachtet und aufgenommen wurden, blieben Reaktionen aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) nicht aus. Sie fallen vor allem dadurch auf, dass sie dem Inhalt der Studie ausweichen. Eine Replik.
Einen Tag nach der Präsentation der Studie ging die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) mit einer Presseaussendung an die Öffentlichkeit. Einen Tag später meldete sich auch die Islamische Föderation Wien (Milli Görüş) zu Wort, deren Moscheen zu jenen sechs der untersuchten 16 Moscheen gehören, die sich aktiv der Integration von Muslim/innen entgegenstellen. Keine der beiden Erklärungen geht auf den Inhalt der Studie und die von unseren Mitarbeitern beobachteten und aufgezeichneten Predigten in Wiener Moscheen ein.

Unbefriedigende Reaktionen

Stattdessen bestreiten beide Erklärungen die Wissenschaftlichkeit der Studie und sehen in dieser einen generalisierenden Angriff auf Muslime. Es fallen Begriffe wie „dubiose Publikation“, „Auftragsstudie“ und „politischer Auftrag“. Zudem kritisieren sie, dass die Auswahl der Moscheen nicht repräsentativ sei – eine Tatsache, die in der Studie selbst mehrmals erwähnt wird und auch bei der Präsentation betont wurde. Das Attribut „nicht repräsentativ“ ist aber, anders als hier nahegelegt wird, kein Zeichen für Unwissenschaftlichkeit.

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Identitäre Diskurse

Die Debatten über Integration und Islam werden von Identitätspolitik dominiert. „Muslim“ ist dabei zur Kategorie für das Andere – oder das Eigene – geworden. Was von Rechten und von Vertreter/innen des politischen Islam betrieben wird, wird von einem Teil der Linken gefördert, indem ein vermeintlich antirassistischer Diskurs das Objekt des Rassismus immer aufs Neue reproduziert.

CC0 Public Domain

Integration kann in einer modernen, pluralistischen Gesellschaft nur die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am ökonomischen, sozialen, politischen und kulturellen Leben bedeuten. Integration betrifft somit zum einen nicht nur Menschen, die von irgendwo auf der Welt nach Europa kommen, sondern alle, die hier leben und zum anderen integrieren sich in moderne Gesellschaften einzelne Menschen und nicht Gruppen oder Kollektive.

Volle Identität

Verfolgt man jedoch die Integrationsdebatten der letzten Jahre, muss man den Eindruck gewinnen, es ginge nur um Migranten, ja eigentlich sogar nur um Muslime, die quasi als Kollektiv integriert werden müssten. Diese Entwicklung verdanken wir nicht zuletzt einem zunehmenden ideologisch und religiös begründeten Kollektivismus. Unsere Debatten – vor allem im Bereich Integration – sind von Identitätspolitik bestimmt oder, wie es die Philosophin Isolde Charim[1] beziehungsweise der Philosoph Sama Maani nennen, von einer Ideologie der vollen Identität und das nicht nur von rechts außen.
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Es hat mit dem Islam zu tun

Der Terror von Paris, Beirut und Ankara hat mit dem Islam zu tun. Darüber sollte endlich offen gesprochen werden – auch mit und von den islamischen Verbänden.

Das Bataclan um 1909, ©unbekannt, gemeinfrei

Das Bataclan um 1909, ©unbekannt, gemeinfrei

Paris 7.-9.1. Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo und einen jüdischen Supermarkt, 17 Tote — Ankara 10.10. Anschlag auf eine Demonstration linker Gruppen, 102 Tote — Sinai 31.10. Anschlag auf ein russisches Passagierflugzeug, 224 Tote — Beirut 13.11. Doppelanschlag in einer Einkaufsstraße, 41 Tote — Paris 13.11. Anschläge auf eine Konzerthalle und Bars, vermutlich über 150 Tote

Der islamistische Terror, in der Regel der Terror sunnitischer Extremisten, zieht eine blutige Spur der Verwüstung durch die Welt. Und schon lese ich auf Facebook die ersten Kommentare aus der Reihe „das hat nichts mit dem Islam zu tun“, denn „Terror hat keine Religion“. Es wird nicht lange dauern und wir werden von den diversen Experten und Expertinnen die unterschiedlichsten Erklärungsansätze geliefert bekommen:
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MJÖ und Muslimbruderschaft

Seit Jahren tauchen immer wieder Berichte auf, die der Muslimischen Jugend Österreichs (MJÖ) Verbindungen zur Muslimbruderschaft unterstellen. Das wurde und wird stets vehement bestritten. Aber die Gegendarstellung der MJÖ verliert zusehends an Glaubwürdigkeit.

by Timo Rödiger

by Timo Rödiger

In einem Artikel in der österreichischen Onlineausgabe der NZZ wird der Muslimischen Jugend Österreichs (MJÖ) unterstellt, im Schatten der Muslimbruderschaft zu stehen – ein Vorwurf, der in den vergangenen Jahren immer wieder erhoben wurde und gegen den die MJÖ gelegentlich mit Klagen oder Klagsdrohungen vorgeht. Nun hat die Journalistin Elisalex Henckel für die NZZ einen weiteren Beleg für diesen Vorwurf entdeckt:
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Islam und Händeschütteln

Das Vermeiden jedes Körperkontakts zwischen den Geschlechtern, selbst des unverfänglichen Händeschüttelns zu Begrüßung und Abschied, ist Zeichen einer Übersexualisierung der Geschlechter. Ein normaler Umgang zwischen Männern und Frauen wird so bewusst verunmöglicht.Händeschütteln2

Seit der Imam von Idar-Oberstein der CDU-Vorsitzenden von Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner, ausrichten ließ, dass er ihr bei ihrem Besuch der dortigen Flüchtlingsunterkunft nicht die Hand geben werde, weil sie eine Frau sei, ist das Händeschütteln im Islam Thema der Integrationsdebatte. Ist die Weigerung des Imam ein Zeichen von Frauendiskriminierung?

Partnerwahl durch Händeschütteln?

Dagegen argumentieren S.K. unter dem Titel „reich mir (nicht) die Hand!“ in einem mittlerweile gelöschten Artikel [Anm.: Die Autorin distanziert sich heute von diesem Artikel, April 2019] und Khola Maryam Hübsch, die auf Das Milieu vom „Drama ums Händeschütteln“ spricht. Beide betonen, dass es nicht um Frauendiskriminierung ginge, denn auch gläubige muslimische Frauen würden Männern nur ungern die Hand geben. „Der Körperkontakt zwischen Männern und Frauen, die nicht miteinander verwandt sind, ist im Islam unüblich“, so Hübsch. Dies entspreche „der Praxis des Propheten“.
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Alle in einen Topf

Gerne wird von „den Muslimen“ gesprochen – von solchen Pauschalisierungen profitieren aber nur die Rechten und die Islamverbände.

„Eine Beleidigung für 1,6 Milliarden Muslime auf der Welt“ seien die Karikaturen von Charlie Hebdo, so ließ Hisham Maizar, Präsident der Föderation Islamischer Dachorganisationen Schweiz (FIDS) verlauten – und viele seiner Kollegen, sowie Journalisten und Politiker auch in anderen Ländern sprachen sich ganz ähnlich aus. An diesem Satz irritiert zunächst schon mal die Sicherheit, mit der hier ein Einzelner auftritt, als sei er berechtigt, für über ein Fünftel der Menschheit sprechen zu dürfen. Woher weiß er eigentlich, dass die sich alle beleidigt fühlen? Und wie kommt diese immer wieder genannte Zahl zustande, wenn es um angeblich „DIE Muslime weltweit” beleidigende CharlieInhalte geht?
Letzterem scheint eine recht simple Rechnung zugrunde zu liegen:

Man nehme alle Bewohnerinnen und Bewohner islamischer Länder und addiere dazu die Mitglieder „muslimischer“ Minderheiten in mehrheitlich nichtmuslimischen Ländern. Will man ganz besonders akkurat sein, subtrahiert man am Ende noch die Mitglieder religiöser Minderheiten in islamischen Ländern – Voila! Immer wenn die Anzahl der Muslime einzelner Länder wie eine vermeintliche Gewissheit in die Debatte geworfen wird, so handelt es sich letztendlich ganz pauschal um alle Menschen, die selbst oder deren Vorfahren aus einem mehrheitlich islamischen Land stammen, es sei denn, Weiterlesen

Jihadismus: Panzer statt Prävention

Im STANDARD vom 12. Februar 2015 ist ein Kommentar von mir zum Thema Extremismusprävention erschienen:

Erfolgreiche Programme gegen jugendliche Radikalisierung benötigen Zeit und Geld

Seit immer mehr Jugendliche aus Europa in den Jihad ziehen oder mit Jihadisten sympathisieren, sind “Deradikalisierung” und “Prävention” in aller Munde. Die beiden Begriffe werden in der öffentlichen Diskussion mehr oder weniger synonym verwendet, als handele es sich dabei nicht um zwei grundsätzlich verschiedene Ansätze. Deradikalisierung ist klassische Krisenintervention; Hotlines und Beratungsstellen zielen auf diejenigen, die einen solchen Grad an Radikalisierung erreicht haben, dass ihr Abdriften in den Terrorismus befürchtet wird. Deradikalisierung ist die Feuerwehr, die zu löschen versucht, wenn es bereits brennt.
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Austro-Daimler Panzerwagen, 1906

Austro-Daimler Panzerwagen, 1906

 

Problem Islam

Wir haben ein Problem mit dem Islam. Wir alle, die wir in freien und offenen Gesellschaften leben wollen, unabhängig von unserer Religion oder Weltanschauung: Wir alle haben ein Problem mit dem Islam – und die mehrheitlich islamisch geprägten Länder ebenfalls.Charlie
„DEN Islam gibt es nicht!“ werden seine Verteidiger an dieser Stelle empört ausrufen. Richtig. Und genau deshalb ist es auch unsinnig, nach jedem Terroranschlag erneut zu betonen, DER Islam sei eine Religion des Friedens und der Toleranz. Das ist er offensichtlich nicht. Eine Religion ist stets das und nur (!) das, was die Anhänger aus ihr machen; es gibt nur diese real existierenden Varianten und keine von den Gläubigen abgekoppelte ideale, wahre und reine Religion.

Inmitten der Menschen, die heute gemeinhin unter der Bezeichnung „Muslime“ subsumiert werden, befinden sich viele, die ihren Glauben abgelegt haben, die also nicht mehr Muslime sind. Andere praktizieren den Glauben nur an hohen Feiertagen und lassen Gott ansonsten einen lieben Mann sein. Viele bekennende Muslime leben ihren Glauben friedlich, betrachten ihn als eine Sache zwischen sich und Gott oder allenfalls zwischen ihrer Gemeinde und Gott. Wie groß ihr jeweiliger Anteil ist, lässt sich schwer schätzen, belastbare Studien gibt es kaum.

Aber um diese drei Gruppen geht es auch nicht, Weiterlesen