Islamische Glaubensgemeinschaft: Kopftuch ist religiöse Pflicht!

In den stets wiederkehrenden öffentlichen Kopftuch-Debatten argumentieren Vertreter und – besonders prominent – Vertreterinnen islamischer Glaubensverbände oftmals mit dem Selbstbestimmungsrecht und der Freiheit der Frauen: Das Tragen des Kopftuchs sei einzig und allein eine persönliche Entscheidung, in die den Kopftuchträgerinnen niemand dreinzureden habe. Nur stimmt das nicht so ganz, wenn es nach der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich geht: Für die ist das Tragen des Kopftuchs nämlich keine Frage der Selbstbestimmung der Frauen, sondern nichts weniger als eine religiöse Pflicht.

Als die Regierung Ende Januar verkündete, ein Verbot des Gesichtsschleiers in der Öffentlichkeit beschließen zu wollen, sowie ein Neutralitätsgebot im öffentlichen Dienst, das es Richter/innen, Staatsanwält/innen und Polizist/innen verbietet, während ihres Dienstes sichtbare religiöse oder weltanschauliche Symbole zu tragen, gingen die Wogen in Teilen der muslimischen Community hoch. Am 4. Februar formierte sich eine Frauendemonstration gegen das als „Kopftuchverbot“ bezeichnete Gesetz. Unter dem Motto „#MuslimBanAustria – mein Körper mein Recht auf Selbstbestimmung“ zogen 2000-3000 Menschen vom Westbahnhof zum Minoritenplatz. Die Liste der Organisationen, die zu dieser Demonstration aufriefen, lässt indes an der Forderung nach weiblicher Selbstbestimmung zweifeln.

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Was der Islam Europa gebracht hat

Der Einfluss vom Islam auf die europäische Kultur ist längst nicht so bedeutend, wie viele meinen. Eine Replik auf Muhammad Sameer Murtazas Artikel Ohne Orient kein Okzident.

Muhammad Sameer Murtazas Artikel verfolgt ein einziges, allzu offensichtliches Ziel: Er will beweisen, dass der Islam immer schon zu Europa gehörte und Europa erst zu dem machte, was es heute ist. Nun schreibt – wer eine Apologetik verfasst – nicht zwangsläufig nur Falsches, wird aber versucht sein, Fakten so darzustellen, dass die eigene Sicht von ihnen gestützt wird und andere Fakten außen vor zu lassen. Das ist ibn rushdMurtaza gut gelungen. Wenn er bedauert, dass der Islam im mittelalterlichen Europa zum Feindbild wurde, unterschlägt er, dass dieses Feindbild benennbare Ursache hatte: Den arabischen und später den osmanischen Imperialismus, der Teile des christlichen Europas über 1000 Jahre hinweg bedrohte. Das klingt bei ihm nur in einem Satz kurz an, um sogleich wieder relativiert zu werden.

Wenn der Autor davon schreibt, dass „500 Jahre Islam auf dem Balkan im kollektiven Gedächtnis Europas verdrängt“ worden seien, dann verdrängt er, was im kollektiven Gedächtnis – ob wir dessen Langlebigkeit nun bedauern oder nicht – nach wie vor präsent ist: Eroberungen, jahrhundertelange Besetzung, Unterdrückung, Angst vor Krieg, Raub und Versklavung. Der Begriff „Türkenkriege“ bezeichnet eine Zeit von ungefähr 1430 bis zum Ende des 17. Jahrhunderts. In manchen Phasen dieser Zeit fielen fast im Jahrestakt Akıncı (irreguläre, aber dem Sultan treu ergebene Reiterhorden von bis zu 10.000 Mann) bis nach Österreich ein. Ihre Aufgabe war es, Gebiete sturmreif zu machen. Sie plünderten, brannten Dörfer und Felder nieder, ermordeten die männliche Bevölkerung und versklavten Frauen und Kinder. „Diese Überfälle haben ganz Thrakien bis hin nach Dalmatien in eine Einöde verwandelt“, schrieb der spätmittelalterliche, byzantinische Historiker Dukas.

Und wenn Murtaza an anderer Stelle schreibt, Weiterlesen

Alle in einen Topf

Gerne wird von „den Muslimen“ gesprochen – von solchen Pauschalisierungen profitieren aber nur die Rechten und die Islamverbände.

„Eine Beleidigung für 1,6 Milliarden Muslime auf der Welt“ seien die Karikaturen von Charlie Hebdo, so ließ Hisham Maizar, Präsident der Föderation Islamischer Dachorganisationen Schweiz (FIDS) verlauten – und viele seiner Kollegen, sowie Journalisten und Politiker auch in anderen Ländern sprachen sich ganz ähnlich aus. An diesem Satz irritiert zunächst schon mal die Sicherheit, mit der hier ein Einzelner auftritt, als sei er berechtigt, für über ein Fünftel der Menschheit sprechen zu dürfen. Woher weiß er eigentlich, dass die sich alle beleidigt fühlen? Und wie kommt diese immer wieder genannte Zahl zustande, wenn es um angeblich „DIE Muslime weltweit” beleidigende CharlieInhalte geht?
Letzterem scheint eine recht simple Rechnung zugrunde zu liegen:

Man nehme alle Bewohnerinnen und Bewohner islamischer Länder und addiere dazu die Mitglieder „muslimischer“ Minderheiten in mehrheitlich nichtmuslimischen Ländern. Will man ganz besonders akkurat sein, subtrahiert man am Ende noch die Mitglieder religiöser Minderheiten in islamischen Ländern – Voila! Immer wenn die Anzahl der Muslime einzelner Länder wie eine vermeintliche Gewissheit in die Debatte geworfen wird, so handelt es sich letztendlich ganz pauschal um alle Menschen, die selbst oder deren Vorfahren aus einem mehrheitlich islamischen Land stammen, es sei denn, Weiterlesen

Problem Islam

Wir haben ein Problem mit dem Islam. Wir alle, die wir in freien und offenen Gesellschaften leben wollen, unabhängig von unserer Religion oder Weltanschauung: Wir alle haben ein Problem mit dem Islam – und die mehrheitlich islamisch geprägten Länder ebenfalls.Charlie
„DEN Islam gibt es nicht!“ werden seine Verteidiger an dieser Stelle empört ausrufen. Richtig. Und genau deshalb ist es auch unsinnig, nach jedem Terroranschlag erneut zu betonen, DER Islam sei eine Religion des Friedens und der Toleranz. Das ist er offensichtlich nicht. Eine Religion ist stets das und nur (!) das, was die Anhänger aus ihr machen; es gibt nur diese real existierenden Varianten und keine von den Gläubigen abgekoppelte ideale, wahre und reine Religion.

Inmitten der Menschen, die heute gemeinhin unter der Bezeichnung „Muslime“ subsumiert werden, befinden sich viele, die ihren Glauben abgelegt haben, die also nicht mehr Muslime sind. Andere praktizieren den Glauben nur an hohen Feiertagen und lassen Gott ansonsten einen lieben Mann sein. Viele bekennende Muslime leben ihren Glauben friedlich, betrachten ihn als eine Sache zwischen sich und Gott oder allenfalls zwischen ihrer Gemeinde und Gott. Wie groß ihr jeweiliger Anteil ist, lässt sich schwer schätzen, belastbare Studien gibt es kaum.

Aber um diese drei Gruppen geht es auch nicht, Weiterlesen

Meinungsfreiheit gilt für alle!

Ein Gastbeitrag von Nina Scholz

Der heute ergangene Bescheid des Leipziger Ordnungsamtes  ist juristisch gesehen höchst bedenklich:

„Das Zeigen sogenannter Mohammed-Karikaturen sowie anderer den Islam oder andere Religionen beschimpfender oder böswillig verunglimpfender Plakate, Transparente, Banner oder anderer Kundgebungsmittel wird untersagt“

CH-Mohammed

Mohammed von Fundamentalisten überwältigt: “Es ist schwer, von Idioten geliebt zu werden.”

Man kann es durchaus für unangebracht halten, wenn  ausgerechnet LEGIDA-Anhänger  Karikaturen von Charlie Hebdo zeigen wollen und man kann gegen die Vereinnahmung der Morde von Paris für rechtspopulistische Forderungen protestieren, aber das Zeigen der Bilder per Verordnung zu verbieten,  ist ein äußerst besorgniserregender Eingriff in die Meinungsfreiheit, abgesehen davon, dass die gewählte Formulierung  die Karikaturen von Charlie Hebdo  als „böswillig verunglimpfend“ etikettiert. Auch wenn diese nicht explizit erwähnt werden, ist es vollkommen klar, dass man das Zeigen der Charlie Hebdo Arbeiten befürchtet und das Verbot sich gegen diese richtet. So betreibt das Ordnungsamt auch die andernorts immer wieder zu beobachtende Schuldumkehr, die unterstellt, jene, die  Karikaturen zeichnen oder zeigen, machten dies in böswilliger Absicht und seien für islamistische Gewalt verantwortlich oder Weiterlesen

Islamischer Staat und Islam

In The European erschien die gekürzte Fassung dieses Artikels. Hier die etwas ausführlichere und wie ich hoffe anschaulichere Version.

Am 26. August dieses Jahres sagte Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), in der ZDF-Sendung „Menschen bei Maischberger“, der IS habe nichts mit dem Islam zu tun. Ein Satz, der in den letzten Monaten häufig zu hören ist – insbesondere von Seiten der europäischen Islamverbände. So schreibt die Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) in einer Presseaussendung, IS pervertiere die Religion, und appelliert „an die Öffentlichkeit, diesen Terror nicht mit ‚dem Islam‘ zu verbinden“.Mazyek Gleichzeitig weist sie darauf hin, dass es das Regime Assads gewesen sei, das IS groß gemacht habe. Noch einen Schritt weiter geht Yasmin Fahimi, Generalsekretärin der SPD. Sie fordert, dass der IS in der öffentlichen Debatte nicht mehr als „radikal islamisch“ bezeichnet werden solle, da dies – also die Zuschreibung von außen, nicht die Selbstbezeichnung! – die Muslime beleidige.

Es gibt keinen einzigen islamischen Staat und kaum eine islamische Organisation, die sich nicht vom IS und seinen Gräueltaten distanzieren. Das Motiv dahinter ist jedoch nicht unbedingt ein anderes Islamverständnis. Weiterlesen

Wie freundlich ist der Islam?

Der Redakteur Daniel Behrendt hat mich für sonntag – das digitale Wochenendmagazin der Mediengruppe Madsack (Nr. 3210. August 2014) interviewt. Ein Gespräch über Vorurteile, die Möglichkeit der Religionskritik, islamischen Extremismus, Scharia und vieles mehr.

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Saudischem Blogger droht die Todesstrafe

Den saudischen Blogger, Menschenrechtsaktivisten und Betreiber einer liberalen Website, Raif Badawi, erwartet wegen Abfall vom Glauben die Todesstrafe.[i] Raif Badawi gründete im Jahr 2006 das Webforum Freie Saudische Liberale (Free Saudi Liberals), um ernsthafte Diskussionen über liberale Ideen, religiöse Autoritäten und die wahhabitische Interpretation des Islam zu führen. Die Website entwickelte sich rasch zu einer wichtigen Plattform für säkulare und liberal denkende Männer und Frauen Saudi-Arabiens, auf der unter anderem Diskussionen zum Verhältnis von Politik und Religion angestoßen wurden. Nach und nach wurden auch die Behörden aufmerksam. Ab 2008 wurde Raif Badawi mehrmals festgenommen und musste seine Website immer wieder vom Netz nehmen; 2009 belegten ihn die Behörden mit einem Reiseverbot und froren seine Konten ein. Davon ließ er sich aber nicht einschüchtern, sondern stellte die Seite jedes Mal neuerlich online. Raif BadawiDie Revolten in mehreren arabischen Staaten verstärkten die Nervosität der Regierung Saudi-Arabiens, und Dissidenten gerieten vermehrt ins Fadenkreuz der Behörden – so auch Raif Badawi. Im Dezember 2011 wurde Anklage gegen ihn erhoben,

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Bilderverbot

Eine Leseprobe aus unserem Buch: Heiko Heinisch; Nina Scholz, Europa, Menschenrechte und Islam – ein Kulturkampf?, Wien, Passagen Verlag 2012. Mit freundlicher Genehmigung des Passagen Verlags: Das Kapitel „Bilderverbot“.          Im Buch selbst ohne Bilder.

Durch den Karikaturenstreit erfuhr die breitere Öffentlichkeit im Westen erstmals von einem in der islamischen Welt üblichen, religiös begründeten Bilderverbot. Im Oktober 2005 hatte die dänische Zeitung Jyllands Posten zwölf Karikaturen zum Thema „Mohammed“ abgedruckt, die in der islamischen Welt eine Welle gewalttätiger Demonstrationen mit Verletzten und Toten auslösten. Vertreter muslimischer Organisationen und Institutionen beriefen sich bei der Ablehnung der Karikaturen neben der Beleidigung religiöser Gefühle auch auf ein strenges Bilderverbot im Islam. Auch manche und mancher westliche Intellektuelle machte sich diese Sicht zu eigen. Günther Grass zum Beispiel kommentierte die Proteste lapidar mit der Bemerkung, den Zeitungsherausgebern sei bekannt gewesen, dass die Darstellung Allahs oder Mohammeds in der islamischen Welt verboten sei.[1] Ist sie das wirklich? Und wenn ja, was hat die übrige Welt mit diesem Verbot zu tun?Jesus+MohammedBereits Anfang 2002 hatte es in mehreren islamischen Ländern eine ähnliche, wenn auch weniger heftige Reaktion auf einen „Verstoß“ gegen das Bilderverbot gegeben, der in Europa allerdings kaum wahrgenommen worden war.

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Culture Rules

Je nachdem, in welchen Kreisen man diskutiert, offenbaren sich unterschiedliche Ansichten über die Frage „Was ist Kultur und wie prägt sie Mensch und Gesellschaft?“. In meinem beruflichen Beschäftigungsfeld, das eher von Historiker/innen und Kulturwissenschaftler/innen geprägt ist, ist die Untersuchung kultureller Phänomene und deren Auswirkungen auf Geschichte, Menschheitsentwicklung und die verschiedenen Ausformungen von Gesellschaften wesentlicher Bestandteil der Forschung. In sozial- und politikwissenschaftlichen Instituten, insbesondere in den links und multikulturalistisch (nicht zu verwechseln mit multikulturell[1]) ausgerichteten, ist die Beschäftigung mit dem Thema häufig tabubelastet und der Vorwurf des „Kulturalisierens“ und – damit verbunden – einer rechten Gesinnung schnell zur Hand.

Einige Gedanken zu Kultur und ihrem Einfluss auf Menschen und deren Handeln.

Was ist Kultur? Sie kann zunächst als gestaltendes Handeln von Menschen, als die Gesamtheit der von Menschen hervorgebrachten Leistungen und die das Zusammenleben gestaltenden Regeln verstanden werden.[2] Diese Leistungen und Regeln bezeichnen wir aber nur dann als Kultur, wenn sie mehr sind als kurzfristige Blitze im Lauf der Geschichte; zur Kultur werden sie dadurch, dass sie innerhalb einer Gruppe tradiert und zu einem charakteristischen Bestandteil des Lebens werden. Wir wissen nicht, ob nicht irgendwer vor Urzeiten irgendwo für sich ein Rad erfunden und benutzt hat: Zum Kulturgut wurde es erst, als dieses Fortbewegungsmittel von einer Gruppe angenommen, genutzt und weitertradiert wurde.Rad Somit können wir Kultur auch als die Gesamtheit des tradierten Wissens einer Gruppe von Menschen bezeichnen. Wissen in diesem Zusammenhang meint umfassendes Wissen, also nicht nur das Wissen von Fakten und Techniken, sondern auch das Wissen vom Leben, vom Universum und dem ganzen Rest; Weiterlesen