Distanzierungstango im islamistischen Milieu

Dass Muslimbrüder leugnen, Muslimbrüder zu sein, ist bekannt. Seit einigen Wochen wird diese Strategie auch von Organisationen und Mitgliedern der türkischen, neo-osmanischen und islamistischen Milli Görüş Bewegung übernommen. Das könnte daran liegen, dass Milli Görüş wegen des massiven Antisemitismus ihres Gründers Necmettin Erbakan, ihrer islamistischen Ausrichtung und ihrer Beeinflussung durch die Türkei zunehmend in die Kritik gerät.

Links das Logo der Milli Görüş, rechts Necmettin Erbakan , von Zest at the Turkish language Wikipedia, CC BY-SA 3.0

Die Strategie von Aktivisten und Organisationen der Muslimbruderschaft in Europa ist bekannt und wirkungsvoll: Sie leugnen in aller Regel jeden Bezug zur Muslimbruderschaft. Zwar können der Muslimbruderschaft und ihrem Umfeld in Europa rund 200 Organisationen zugeordnet werden, dutzende Einzelpersonen stehen in Verdacht, ihr mehr oder weniger nahe zu stehen, aber nur bei einigen wenigen ist die Sachlage so eindeutig, dass sie trotz Leugnung als Muslimbrüder bezeichnet werden dürfen. Etwa Ibrahim el-Zayat, eine der zentralen Figuren der Bruderschaft in Europa. Im Jahr 2005 verlor er einen Prozess vor dem OLG München, nachdem er die damalige Bundestagsabgeordnete Kristina Köhler (CDU) verklagt hatte, weil sie ihn einen „Funktionär der Muslimbruderschaft“ genannt hatte. Jamal Morad wiederum, um ein prominentes österreichisches Beispiel zu bemühen, bezeichnete sich 2013 in einem Interview mit dem ägyptischen Fernsehsender EGYURO TV selbst als Kader der Muslimbruderschaft und die von ihm gegründeten Organisationen, wie etwa die Liga Kultur, als Organisationen der Muslimbruderschaft.

Über wenige Fälle hinaus werden Mitgliedschaft und selbst Sympathien geleugnet. Selbst der aktuelle Präsident der „Deutschen Muslimischen Gemeinschaft“ (DMG, vormals: „Islamische Gemeinschaft in Deutschland“, IGD), Khallad Swaid, leugnet auf Nachfrage jegliche Verbindung seiner Person und der IGD zur Muslimbruderschaft. Der Verfassungsschutz hingegen bezeichnet die IGD als deutsches Sammelbecken der Muslimbruderschaft. Diese Verleugnungsstrategie ist zwar nicht sehr ehren-, aber wirkungsvoll, weil
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Der IGGÖ-Präsident und die Muslimbruderschaft

Der Präsident der IGGÖ, Ümit Vural, nimmt an einer Konferenz teil, die wegen der Beteiligung radikaler Islamisten ins Visier des deutschen Verfassungsschutzes geraten ist. Das rückt seine Präsidentschaft in ein neues Licht.

Screenshot von der Facebooks Seite der Diyanet.

Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreichs (IGGÖ), Ümit Vural, bemüht sich um ein liberales, weltoffenes Image. Auf Journalistenfragen nach seiner bisherigen Tätigkeit im Vorstand der Islamischen Föderation Wien, dem österreichischen Ableger der islamistischen, neo-osmanischen Millî Görüş-Bewegung antwortet er ausweichend: Bei Millî Görüş denke er nur an seinen Vater, der, wie er sagt, ihn mit sechs Jahren in die nächste Moschee mitgenommen habe, weil ihm das ehrenamtliche Engagement wichtig gewesen sei. Das habe ihn geprägt, aber mehr sei nicht gewesen. Niemand fragte genauer nach, obwohl die islamistischen und zum Teil antisemitischen Positionen von Millî Görüş, die ideologisch und personell eng mit der Muslimbruderschaft in Europa verbunden ist, bekannt sein sollten. Millî Görüş wird in Deutschland nicht ohne Grund vom Verfassungsschutz beobachtet.

Warum die Muslimbruderschaft gefährlich ist

Eine Reise nach Köln bringt das Bild, das Ümit Vural von sich zeichnet, nun gehörig ins Wanken. Weiterlesen auf addendum.

„Ankara wird bei der Wahl mitreden“

Nach knapp zwei Jahren geht die Amtszeit von Ibrahim Olgun, dem Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft, schon wieder zu Ende. Sie war geprägt von Skandalen und Machtspielen. Im Interview mit Addendum erkläre ich die Hintergründe.

Bild: Addendum

Nach etlichen Skandalen musste Ibrahim Olgun sein Amt vorzeitig zur Verfügung stellen. Der neue Präsident wird mit hoher Wahrscheinlichkeit entweder, wie schon Olgun, aus der ATIB, dem österreichischen Ableger der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet oder aus der Islamischen Föderation (die islamistische Millî Görüş) kommen und es ist davon auszugehen, dass Ankara bei der Wahl in Österreich mitredet, wenn nicht sogar letztlich die Entscheidung dort getroffen wird.

Das Interview auf Addendum.org

Warum wurde Khashoggi ermordet?

Der im saudischen Konsulat in Istanbul ermordete Journalist Jamal Khashoggi war weder ein Regimekritiker noch war er Demokrat oder gar ein Kämpfer für Meinungsfreiheit und Menschenrechte, wie in den letzten Tagen oft in diversen Medien zu lesen und zu hören war.

Logo der Muslimbruderschaft – Buch-Cover: “Wahrhaft, es ist der großmütige Koran.” Unter den Schwertern: “Seid bereit”.


Selbstverständlich ist die von der saudischen Führung befohlene Ermordung ein völlig inakzeptables Vorgehen des saudischen Regimes. Sie ist ein weiteres Verbrechen des theokratischen Regimes, das hoffentlich auch den letzten Politikerinnen und Politikern im Westen die Illusion über Kronprinz Mohammed bin Salman nimmt, er hätte mehr als wirtschaftliche Reformen im Sinn.

Khashoggi war bis Herbst 2017 Teil des saudischen Establishments. Der Konflikt, der seiner Ermordung zugrunde liegt, war einer zwischen Muslimbruderschaft und saudischer Regierung, bzw. der religiösen Elite. Bereits kurz nach seinem Verschwinden wurde bekannt, dass seine Verlobte, nachdem sie vergeblich vor der saudischen Botschaft gewartet hatte, mit Khashoggis Handy den türkischen Politiker Yasin Aktay, ein hochrangiges Mitglied der türkischen Regierungspartei AKP und Berater Erdoğans angerufen hatte. Dass Khashoggi ausgerechnet dessen Telefonnummer in seinem Handy gespeichert hatte,
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Auch eine Muslimin kann sexuell frei sein

Mit „Der alltägliche Islamismus“ hat die Schweizer Politikwissenschaftlerin Elham Manea ein weiteres wichtiges Buch zum Verständnis des Islamismus und seiner Auswirkungen auf Gesellschaften vorgelegt. Unser Kolumnist Heiko Heinisch sprach mit ihr über den politischen Islam, das Kopftuch, Parallelgesellschaften und die ideologischen Gemeinsamkeiten von gewaltfreien Islamisten und Dschihadisten.

© Andy Ngo

 

Heiko Heinisch: Elham Manea, Ihr aktuelles Buch trägt den Titel „Der alltägliche Islamismus“. Was genau verstehen Sie unter Islamismus?

Elham Manea: Der gewaltlose Islamismus propagiert eine Ideologie des politischen Islams und zugleich eine radikale Interpretation des Islams. Sie teilt die Welt in zwei Lager: die Gläubigen und die Ungläubigen. Die Gläubigen sollen das Banner des Islams hochhalten und ihn, wenn nicht mit Gewalt, so aber doch durch die Dawa, durch missionarisches Predigen, verbreiten. Dieser Ansicht nach ist der Islam nicht lediglich eine Religion: Er ist Staat und Religion.  Die erste Form ist der Neofundamentalismus (gesellschaftlicher Islam). Er entwickelte sich in verschiedenen extremistischen Bewegungen, die im 18. Jahrhundert aufkamen und den Medina-Islam verbreiteten; sie entstanden im Wesentlichen als Gegenreaktion auf die Herausforderungen der Moderne. Ein Beispiel dafür ist der salafistische Wahhabismus oder sein südasiatisches Pendant, der Deobandi-Islam. Die zweite Form, der politische Islam, ist eine politische Ideologie, die in den Interpretationen des Neofundamentalismus wurzelt. So ist etwa die Muslimbruderschaft – der Prototyp des politischen Islamismus – in religiöser Hinsicht salafistisch geprägt. Die Pendants der Muslimbruderschaft in Südasien und der Türkei sind Jamaat-e-Islami und Milli Görüş. Alle Bewegungen, die diesem ideologischen Spektrum angehören, zielen auf Dominanz. Sie sind antidemokratisch und zutiefst totalitär und diskriminierend, denn sie streben eine Gesellschaft an, in der die Menschenrechte über religiöse Zugehörigkeit definiert werden. Das heißt, es gibt Menschen erster, zweiter und dritter Klasse.

Die Bürde des weißen Mannes

H.H.: In Ihrem Buch sprechen sie vom „essentialistischen Paradigma“, dem sich heute viele linke und liberale Intellektuelle verpflichtet fühlen. Muss man diesen Essentialismus, also die Reduktion der Identität von Menschen auf ihre religiöse Zugehörigkeit, nicht auch als Teil des islamistischen Programms betrachten?

E.M.: Das stimmt. Islamisten instrumentalisieren die Bürde des weißen Mannes, d.h. die mit dem Kolonialismus und Imperialismus verbundenen Schuldgefühle,
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Muslimischer Antisemitismus

Wenn muslimischer Antisemitismus erwähnt wird, lässt die Reaktion meist nicht lange auf sich warten: „Wir“ sollten uns lieber um unseren eigenen Antisemitismus kümmern. Das verhindert nicht nur jede vernünftige Debatte, sondern exkludiert Muslime. Sie sind offensichtlich nicht Teil dieses „Wir“, schreibt unser Kolumnist Heiko Heinisch.
Die Leiterin des Zentrums für Antisemitismusforschung an der Berliner TU, Juliane Wetzel, behauptete unlängst, es gebe „keinen muslimischen Antisemitismus“, sondern nur „einen Antisemitismus unter Muslimen“, was den Publizisten Henryk Broder zu einem seiner bissigen, aber treffenden Kommentare reizte. Auch in den sozialen Medien geht es bei diesem Thema immer wieder heiß her. Wer über muslimischen Antisemitismus reden will, wird umgehend in Diskussionen über den „eigenen“ europäischen Antisemitismus verwickelt. Hinweise auf muslimischen Antisemitismus werden schnell mit dem Hinweis auf den Antisemitismus der Rechten gekontert (interessanterweise nie mit Hinweisen auf linken Antisemitismus) oder als rechtes Ablenkungsmanöver denunziert.

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Was der Islam Europa gebracht hat – und was nicht

Nach der Aussage Horst Seehofers zum Islam fühlen sich wieder viele bemüßigt, die wichtige Rolle des Islam für die Entwicklung Europas hervorzuheben. Doch der Einfluss des Islam auf die europäische Kultur war längst nicht so bedeutend, wie viele meinen, und apologetische Darstellungen sind in der Auseinandersetzung um Islam und Europa wenig hilfreich.

Gemeinfrei

 

Nach den Äußerungen Horst Seehofers zum Islam, häufen sich die Artikel, in denen die wichtige Rolle hervorgehoben wird, die der Islam einst im Mittelalter für die Entwicklung Europas gespielt habe. So sagt etwa der Mittelalterhistoriker Michael Borgolte gegenüber dem Deutschlandfunk: „Es waren Araber und Syrer muslimischen Glaubens, die große Teile der Werke antiker griechischer Naturwissenschaft und Philosophie retteten, übersetzten und kommentierten und diese damit der lateinischen Welt des westlichen Europas überlieferten.“ Und Mouhanad Khorchide wird in der Tagespost mit den Worten zitiert: „Die Muslime retteten das antike griechische Erbe vor dem Vergessen und bereicherten es. Darauf konnte die Renaissance aufbauen.“

Falsches bleibt falsch

Vor drei Jahren führte ich im European mit dem Islam- und Politikwissenschaftler Muhammad Sameer Murtaza eine Debatte zu eben diesem Thema, nachdem er in einem Artikel behauptet hatte, ohne Orient gäbe es keinen Okzident. Den meisten Proponenten dieser Ansicht geht es vor allem um eines: Sie wollen zeigen, dass der Islam immer schon zu Europa gehörte und Europa erst zu dem machte, was es heute ist, um über diesen argumentativen Umweg die Existenzberechtigung von Muslimen in Europa zu beweisen. Deren Existenzberechtigung bedarf jedoch keines Beweises dieser Art, sondern ergibt sich schlicht aus den Menschenrechten, die die Grundlage aller europäischen Verfassungen darstellen.

Zudem ist die zugrunde liegende Behauptung, das Europa wie wir es kennen verdanke sich dem Islam, ein Mythos.

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Interview zur Rolle der Moscheen

Herbert Gnauer hat mit mir im Kitchen Talk für Idealism Prevails über die Wiener Moschee Studie, problematische Moscheeverbände wie die Islamische Föderation (Milli Görüs (deutsch: Nationale Sicht)) und Integration gesprochen.
Politisch, islamistisch und/oder nationalistisch orientierten Organisationen den Status als Religionsgemeinschaften zuzugestehen und sie damit unter dem Schutzschild der Religionsfreiheit agieren zu lassen, halte ich für einen Fehler.
Das gesamte Interview (72 Minuten):

Facebook und die Meinungsfreiheit

Facebook ist mit etwa 2 Milliarden monatlich aktiven Nutzern (Quelle: Wikipedia, Stand: Juni 2017) das mit Abstand Reichweiten stärkste soziale Netzwerk und somit auch DIE öffentliche Plattform für politische Debatten. Für Äußerungen auf Facebook sollten daher zwingend die gleichen Regeln gelten wie für solche im analogen Leben findet unser Kolumnist Heiko Heinisch.

Du bist vorübergehend für das Posten gesperrt.

Mit dieser Meldung machen immer mehr Menschen auf Facebook Bekanntschaft. Verbunden ist sie mit einer Angabe über die Dauer der Sperre (zwischen einem und 30 Tagen) und der Warnung, „dass das wiederholte Posten von Inhalten, die auf Facebook nicht erlaubt sind, dazu führen kann, dass das entsprechende Konto dauerhaft gesperrt wird“, also der Androhung einer lebenslangen Verbannung. Noch häufiger werden von Facebook einzelne Postings gelöscht, weil diese nicht den „Gemeinschaftsstandards“ entsprochen hätten. Eine Möglichkeit zum Widerspruch, zur Verteidigung, sucht man vergeblich, die Kommunikation mit Facebook ist in aller Regel eine einseitige: Facebook – Ankläger und Richter in einem – verlautbart sein Urteil, die User/innen haben dieses schweigend zur Kenntnis zu nehmen.

Die Gemeinschaftsregeln

Nun sollte man bei diesem Vorgehen erwarten, dass die Regeln über erlaubte und verbotene Postings, die sogenannten Gemeinschaftsstandards, in einfacher und verständlicher Form dargelegt und für die User/innen nachvollziehbar durchgesetzt werden. Ersteres ist der Fall. Aber mit der Nachvollziehbarkeit ihrer Anwendung ist es nicht weit her. Entweder meint Facebook mit dem Geschriebenen anderes als gemeinhin üblich oder jene, die über Löschungen und Sperren zu entscheiden haben, halten sich nicht an die eigenen Regeln.
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Die Moscheestudie und die Glaubensgemeinschaft

Nach Erscheinen der Studie „Die Moschee im Integrationsprozess“ von Imet Mehmedi und mir, für die unter anderem Freitagspredigten beobachtet und aufgenommen wurden, blieben Reaktionen aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) nicht aus. Sie fallen vor allem dadurch auf, dass sie dem Inhalt der Studie ausweichen. Eine Replik.
Einen Tag nach der Präsentation der Studie ging die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) mit einer Presseaussendung an die Öffentlichkeit. Einen Tag später meldete sich auch die Islamische Föderation Wien (Milli Görüş) zu Wort, deren Moscheen zu jenen sechs der untersuchten 16 Moscheen gehören, die sich aktiv der Integration von Muslim/innen entgegenstellen. Keine der beiden Erklärungen geht auf den Inhalt der Studie und die von unseren Mitarbeitern beobachteten und aufgezeichneten Predigten in Wiener Moscheen ein.

Unbefriedigende Reaktionen

Stattdessen bestreiten beide Erklärungen die Wissenschaftlichkeit der Studie und sehen in dieser einen generalisierenden Angriff auf Muslime. Es fallen Begriffe wie „dubiose Publikation“, „Auftragsstudie“ und „politischer Auftrag“. Zudem kritisieren sie, dass die Auswahl der Moscheen nicht repräsentativ sei – eine Tatsache, die in der Studie selbst mehrmals erwähnt wird und auch bei der Präsentation betont wurde. Das Attribut „nicht repräsentativ“ ist aber, anders als hier nahegelegt wird, kein Zeichen für Unwissenschaftlichkeit.

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