Verbotsgesellschaft

Dirk Maxeiner und Michael Miersch haben in der Welt einen interessanten Kommentar gegen die Drogenprohibition und den War on Drugs verfasst. Eine Legalisierung wäre ihrer Meinung nach keineswegs eine Kapitulation vor dem Verbrechen, denn: „Von welchem Verbrechen reden wir? Anders als Körperverletzung oder Diebstahl schadet Drogenkonsum nur einem: dem, der sie konsumiert. Alle weiteren kriminellen Handlungen sind Folgen des Verbots. Die Illegalität treibt den Preis in die Höhe. Dadurch lohnt es sich zu schmuggeln. Um den Schmuggel bilden sich Banden, die ihre Gewinne mit Gewalt gegen die Konkurrenz verteidigen. Die Süchtigen müssen sich horrende Geldsummen beschaffen. Sie stehlen, rauben, prostituieren sich. All dies würde wegfallen, wären Drogen so legal wie Alkohol. Es bliebe der Konsum, der viele ins Elend der Sucht führt, aber nicht mehr zwangsläufig in die Kriminalität.“

Sie übersehen allerdings, dass unsere Gesellschaft sich aktuell in eine andere Richtung bewegt, weg von der Freiheit des Einzelnen, hin zu Verbotsgesellschaft, in der der Regierung die Obsorge über das körperliche und seelische Wohl ihrer Bürger übertragen wird. Westliche Regierungen fühlen sich längst nicht mehr nur dafür zuständig, den Bürgern gute Rahmenbedingungen für ihre individuellen Lebensentwürfe zu schaffen, sondern maßen sich– z.T. unter Beifall – an, für Definition und Verwirklichung des individuellen Glücks zuständig zu sein. Seit Jahren schon greifen Rauchverbote mehr und mehr um sich. Natürlich ist nichts dagegen einzuwenden, in öffentlichen Räumen wie Amtsgebäuden, Krankenhäusern, Schulen und anderen allgemein zugänglichen Gebäuden Rauchverbote zum Schutz der NichtraucherInnen zu erlassen. Aber bei Rauchverboten in Restaurants oder Bars fängt es an, bedenklich zu werden, greifen sie doch massiv in das Hausrecht der Besitzer ein – vorgeblich unter dem Vorwand des Angestelltenschutzes. Dieses Argument entlarvt sich selbst, wenn es etwa um Kneipen ohne Angestellte oder mit rauchenden Angestellten geht. Hier sollen offensichtlich Raucher und Raucherinnen vor sich selbst geschützt werden. Auch der allgemeine Nichtraucherschutz ist ein schlechtes Argument, denn kein Nichtraucher ist gezwungen, eine verrauchte Kneipe zu betreten und niemandem ist verboten, ein Nichtraucherlokal zu eröffnen. Nicht nur in den USA werden mittlerweile Forderungen nach einem totalen Rauchverbot in der Öffentlichkeit erhoben. Die neuseeländische Gesundheitsministerin verstieg sich gar dazu, von einer „idealen Welt“ zu träumen, in der Tabak keinen Platz mehr habe. Vor dieser „idealen Welt“ sollten sich alle freiheitsliebenden Menschen fürchten.

Der Gesundheitswahn hat längst schon auf den Lebensmittelbereich übergegriffen, Verbote werden nicht mehr lange auf sich warten lassen. Das Recht, gesund zu leben weicht dem Zwang zum gesunden Leben. Die Freiheit bleibt dabei zwangsläufig auf der Strecke, denn individuelle Freiheit beinhaltet auch, ungesund und sich selbst gegenüber unverantwortlich leben zu dürfen. Hinter der Prohibition wird Regierungspaternalismus sichtbar, der zu wissen glaubt, was gut für die Regierten ist. Diese Haltung widerspricht fundamental der Grundrechtsdemokratie und dem Freiheitsanspruch des mündigen Bürgers. Den Regierungen und allen, die die Politik der Prohibition unterstützen, sei ins Gedächtnis gerufen, was John Stuart Mill vor über 150 Jahren schrieb: „Das einzige Ziel, um dessentwillen es der Menschheit gestattet ist, einzeln oder vereint, die Freiheit eines ihrer Mitglieder zu beschränken, ist Selbstschutz. Und der einzige Zweck, um dessentwillen man mit Recht gegen ein Glied einer gebildeten Gesellschaft Gewalt gebrauchen darf, ist: Schaden für andere zu verhüten. Das eigene physische oder moralische Wohl des Handelnden ist kein genügender Vorwand. Man kann jemanden gerechterweise nicht zwingen, bestimmte Dinge zu tun oder zu unterlassen, weil es für ihn selbst so besser sei […].“ (John Stuart Mill, Über die Freiheit, Köln 2009, S. 21)

Alles andere läuft Gefahr, weg von der Freiheit direkt in die Verbotsgesellschaft zu führen. Leider ist nicht zu erwarten, dass bei der gegenwärtigen Entwicklung hin zu immer mehr Verboten gerade das Verbot des Drogenkonsums aus irgendwelchen pragmatischen Gründen – und seien sie noch so zwingend – aufgehoben wird.

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